Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Jackett über eine Stuhllehne, kaum dass er zur Tür hereingekommen war. Scott Adler war wie er selbst ein Mann der Arbeit, und mit solchen Leuten kam Winston am besten zurecht. Er mochte zwar ein politischer Emporkömmling sein, aber immerhin zeigte er Arbeitsmoral, und das konnte man von den wenigsten Mitgliedern der Regierung sagen, wie Winston fand. Er tat sein Bestes, um der grassierenden Faulheit Einhalt zu gebieten, was nicht einfach war, weil die Beamtengesetze den Rauswurf unproduktiver Leute fast unmöglich machten.
»Haben Sie diese Notizen aus Peking gelesen?«, fragte Adler, während auf einem Tablett der Lunch serviert wurde.
»Allerdings, und da fallen mir auf Anhieb nur ein paar unflätige Ausdrücke zu ein«, antwortete der TRADER.
»Willkommen im Club«, sagte EAGLE. »Mir scheint, wir haben da eine sehr interessante Nachrichtenquelle aufgetan.« Das Außenministerium hatte seinen eigenen Geheimdienst, den I&R (für Intelligence and Research), der, ohne mit der CIA oder anderen Diensten in Konkurrenz zu treten, manchmal selbst mit kleinen Rohdiamanten an Erkenntnissen fündig wurde, die er aus den diplomatischen Sümpfen herausseihte. »Und was halten Sie von unseren gelben Brüdern und Schwestern?«
Winston prustete. »Mann, ich muss mir schwer überlegen, ob ich überhaupt noch einmal chinesisch essen werde.«
»Tja, die lassen unsere schlimmsten Räuberbarone wie Mutter Teresa aussehen. Absolut skrupellos, diese Stinkstiefel.«
Mit diesen Worten machte Adler sofort Punkte bei Winston. Wer so redete, hatte seiner Meinung nach echte Potentiale. Aber weil sich ihm, Winston, die Gelegenheit nur selten bot, mit professioneller Gelassenheit und sprachlich mäßigend zu wirken, entgegnete er: »Meinen Sie, dass diese Sache ideologisch motiviert ist?«
»Was sonst? Nun ja, es ist wohl auch ganz banale Korruption im Spiel, aber vergessen Sie nicht: Die Chinesen glauben, sich aufgrund ihrer ideologischen Überlegenheit alles herausnehmen zu dürfen, und deshalb hat das für sie auch nichts mit Korruption zu tun. Die Mitglieder der Politkaste halten sich selbst für Lehnsherren und das Bauernvolk für abgabenpflichtig.«
»Wir hätten’s also mit Herzögen und Grafen zu tun?«
Der Außenminister nickte. »Im Grunde ja. In puncto Selbstüberheblichkeit macht denen so schnell keiner was vor. Und es ist niemand da, der ihnen mal was auf den Deckel geben würde. Deshalb schnappen sie fast über, wenn sich ausnahmsweise einmal so etwas wie Widerstand regt. In Verhandlungen haben sie aus diesem Grund häufig das Nachsehen, vor allem dann, wenn’s hart auf hart kommt. Wir haben uns ihnen gegenüber immer sehr nachgiebig verhalten, aber seit dem Airbus-Abschuss im vergangenen Jahr stimmen wir einen anderen Ton an. Unsere Anerkennung der Republik Taiwan war ein erster Nasenstüber, auch wenn sich Taiwan selbst noch mit einer Unabhängigkeitserklärung zurückhält.«
»Wie bitte?«, fragte der Finanzminister verwundert nach.
»Ja, die Taiwaner sind sehr vernünftig und taktvoll. Sie hüten sich, das Mutterland zu brüskieren. Obwohl sie überall auf der Welt durch eigene Botschaften vertreten sind, haben sie bislang immer darauf verzichtet, sich für unabhängig von der Volksrepublik zu erklären. Die Machthaber in Peking würden ausflippen. Vielleicht glaubt man in Taipeh, dass sich eine solche Erklärung nicht gehört und unhöflich wäre. Andererseits ist sich Peking bestimmt darüber im Klaren, dass wir eine militärische Bedrohung der Republik Taiwan nicht durchgehen lassen. Dafür bürgt unsere 7. Flotte, die notfalls sehr schnell zur Stelle wäre. Der hätte die Volksrepublik nichts entgegenzusetzen. Und darum bleibt’s in erster Linie beim Wortgeplänkel.« Adler blickte von seinem Sandwich auf. »Oder bei kleinen Nadelstichen.«
»Ich habe heute Morgen mit Jack gefrühstückt; wir unterhielten uns dabei über die laufenden Wirtschaftsgespräche.«
»Und Jack will wohl den Ton ein bisschen verschärfen«, erriet der Außenminister. Damit war zu rechnen. Ryan hatte sich immer fair verhalten, was im Austausch zwischen einzelnen Staaten selten genug der Fall war.
»Richtig«, bestätigte Winston mit vollem Mund und dachte dabei: Wer wie Adler aus der Arbeiterklasse stammt, weiß, was ein anständiges Mittagessen ist. Er hatte die französischen Gourmet-Happen über. Ein guter Lunch bestand für ihn aus einem Stück Fleisch zwischen zwei Weißbrotscheiben. Die französische Küche war was für
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