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Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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war es also nicht gelungen, das Politbüro dazu zu überreden, eine gemäßigte Gangart einzuschlagen. Das bedeutete einen weiteren unproduktiven Verhandlungstag und vielleicht sogar ein Scheitern der Gespräche. Wenn Amerika nicht in der Lage war, Zugeständnisse von China zu erhalten, und deshalb Sanktionen verhängen musste, hätte das für beide Seiten verheerende Folgen und trüge nicht dazu bei, den Weltfrieden zu festigen. Nach seiner Uhr dauerte die Tirade 27 Minuten.
    »Herr Minister«, begann Rutledge anschließend. »Mir fällt es nicht minder schwer, Ihre Unnachgiebigkeit zu verstehen …« Er folgte seinen eigenen zur Genüge ausgetretenen Pfaden, allerdings mit minimalen Abweichungen, indem er sagte: »Wir setzen Sie davon in Kenntnis, dass die Vereinigten Staaten von Amerika, wenn die Volksrepublik keine Öffnung ihrer Märkte für amerikanische Waren zulässt, die Bestimmungen des Trade Reform Act in Kraft treten lassen werden …«
    Rutledge sah, wie sich Shens Gesicht leicht verfärbte. Warum? Er musste doch die Regeln des neuen Spiels kennen. Rutledge hatte in den vergangenen Tagen seinen Standort mindestens hundert Mal heruntergebetet. Na schön, er hatte bis dahin nie ›in Kenntnis setzen‹ gesagt, was im Diplomatenjargon hieß: Jetzt mal Spaß beiseite, Freundchen, reden wir Klartext. Aber der Tenor seiner bisherigen Äußerungen war doch unmissverständlich genug gewesen, und Shen war kein Trottel. Oder doch? Oder hatte Cliff Rutledge diese Verhandlungssitzung falsch gedeutet?
     
    »Hallo«, sagte eine Frauenstimme.
    Wises Kopf zuckte herum. »Hi. Kennen wir uns?«
    »Sie haben meinen Mann flüchtig kennen gelernt. Ich bin Yu Chun«, sagte die Frau, während Wise aufstand. Ihr Englisch war ziemlich gut – wahrscheinlich hatte sie viel ferngesehen, was die beste Lehrmethode war, der Weltbevölkerung Englisch (zumindest die amerikanische Version) beizubringen.
    »Oh.« Wise blinzelte ein paarmal. »Darf ich Ihnen mein aufrichtiges Beileid ausdrücken, Mrs. Yu? Ihr Mann war ein sehr couragierter Mensch.«
    Sie nickte, aber gleichzeitig schnürte sich ihr bei dem Gedanken daran, was für ein Mann Fa An gewesen war, die Kehle zusammen. »Danke.« Sie war sichtlich bemüht, die in ihr geweckten Gefühle nicht zu zeigen.
    »Wird eine Trauerfeier für Ihren Mann stattfinden? Wenn ja, Ma’am, möchten wir Sie um Ihre Erlaubnis bitten, sie zu filmen.« Wise hatte sich nie mit diesem Leichenfledderer-Journalismus anfreunden können – oh, Ihr geliebter Mann ist tot? Was ist das für ein Gefühl? Er hatte als Journalist wesentlich mehr Tote gesehen als während der Zeit bei den Marines, und es war auf der ganzen Welt das Gleiche. Der Sensenmann ruhte nie, und immer nahm er etwas mit, das einer oder meist auch mehreren Personen sehr teuer war. Das Gefühlsvakuum, welches er hinterließ, war auch nicht mit noch so vielen Tränen zu füllen. Wise konnte sich nur mit großer Mühe damit abfinden, vom Kummer anderer zu profitieren.
    »Ich weiß nicht. Bisher haben wir den Gottesdienst immer hier im Haus abgehalten«, erklärte Frau Yu ihm. »Aber die Polizei will mich nicht hineinlassen.«
    »Darf ich Ihnen helfen?«, fragte Wise aufrichtig. »Manchmal hört die Polizei auf Leute wie uns.« Er deutete auf den 20 Meter entfernten Kordon und flüsterte Pete Nichols zu: »Aufrödeln.«
    Wie sich das Ganze für die Polizisten darstellte, war für die Amerikaner schwer nachzuvollziehen. Jedenfalls schritt die Witwe Yu kurz darauf mit einem schwarzen Amerikaner an ihrer Seite und einem weißen Amerikaner samt Fernsehkamera dicht hinter ihr auf sie zu.
    Wise hatte das Mikrophon eingeschaltet. Frau Yu bat den zuständigen Polizisten ruhig und höflich um Erlaubnis, ihr Haus betreten zu dürfen.
    Der Polizeiwachtmeister schüttelte mit einer universell verständlichen Nein-das-geht-nicht-Geste, die keiner Übersetzung bedurfte, den Kopf.
    »Einen Augenblick, Mrs. Yu«, schaltete sich Wise ein. »Könnten Sie bitte für mich übersetzen?« Und als sie nickte, fuhr er, an den Polizisten gewandt, fort: »Sie wissen doch, wer ich bin und was ich tue?« Diese Frage wurde mit einem knappen und nicht allzu freundlichen Nicken beantwortet. »Aus welchem Grund verwehren Sie dieser Dame den Zutritt zu ihrem Haus?«
    »›Ich habe meine Befehle‹«, übersetzte Chun.
    »Verstehe«, sagte Wise. »Ist Ihnen denn auch bewusst, dass das ein schlechtes Licht auf Ihr Land wirft? Es wird auf der ganzen Welt zu sehen sein, und

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