Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
so lange vor Ort war, hatte Nomuri die Wut nicht miterlebt, die durch diesen Schritt ausgelöst worden war, aber die Nachbeben waren deutlich genug zu spüren gewesen und er hörte ihr Echo seit seiner Ankunft in Peking. Die an ihn gerichteten Fragen waren mitunter dermaßen direkt und Auskunft heischend, dass er schon fürchtete, er sei aufgeflogen und als CIA-Mann enttarnt, der sich ohne diplomatischen Schutz in Peking herumtrieb. In Wirklichkeit aber schlugen immer noch die Wellen wegen Taiwan hoch. Die chinesische Regierung selbst versuchte ihren Ärger zu schlucken, sie wollte ja mit den Vereinigten Staaten im Geschäft bleiben. Sie waren immerhin ihr Handelspartner Nummer eins und Quelle riesiger Mengen von Überschusskapital, das China dringend brauchte, um das zu tun, worüber sich Nomuri ein Bild machen sollte. Und so stand er nun hier im Vorzimmer eines der höchsten Mitglieder des Staatsrates.
»Guten Tag«, sagte er, verbeugte sich und lächelte der Sekretärin zu. Sie arbeitete, wie er wusste, für einen Minister namens Fang Gan, der nebenan in seinem Büro saß. Sie war erstaunlich gut angezogen für eine durchschnittliche Angestellte eines Landes, in dem sich modische Statements normalerweise auf die Farbe der Knöpfe an der Maojacke beschränkten, die so sehr Teil der Uniform von Staatsbeamten war wie der graugrüne Zwirn zur Uniform der Volksbefreiungsarmee-Soldaten gehörte.
»Guten Tag«, grüßte die junge Frau zurück. »Sind Sie Nomuri?«
»Ja, und Sie sind ... ?«
»Lian Ming«, antwortete die Sekretärin.
Interessanter Name, dachte Chester. ›Lian‹ bedeutete in Mandarin ›anmutige Weide‹. Sie war klein wie die meisten chinesischen Frauen, hatte ein quadratisches Gesicht und dunkle Augen. Am wenigsten attraktiv waren die kurz geschnittenen Haare, die an die 50er Jahre in Amerika erinnerten, als dort alle Kinder so herumgelaufen waren – zumindest die in den Feriencamps der Appalachen. Wie auch immer, Lian Ming hatte ein klassisch chinesisches Gesicht, eins, das in diesem auf Tradition bedachten Land mit Sicherheit gut ankam. Dieses Gesicht belebte ein Blick, der von Intelligenz und Bildung zeugte.
»Sie sind gekommen, um mit uns über Computer und Drucker zu sprechen«, stellte sie in einer Tonlage fest, die sie bestimmt von ihrem Boss übernommen hatte.
»Ja, so ist es. Ich bin überzeugt davon, dass Ihnen unsere neuen Drucker besonders gut gefallen.«
»Warum?«
»Sprechen Sie Englisch?«, fragte Nomuri.
»Aber gewiss«, antwortete sie auf Englisch.
»Dann fällt mir die Erklärung umso leichter. Der Drucker übernimmt zum Beispiel für Sie die Transkription aus dem Englischen ins Mandarin, also den Wechsel in ein ganz anderes Zeichensystem. Das sieht dann so aus.« Er nahm ein Blatt aus seinem Ordner und reichte ihn der Sekretärin. »Wir arbeiten außerdem an einem Laserdrucker, der noch bessere Ergebnisse erzielen wird.«
»Aha«, bemerkte die Sekretärin. Das Druckbild war in der Tat gestochen scharf, besser als das, was die riesige Schreibmaschine zustande brachte, mit der offizielle Dokumente getippt wurden. Es sei denn, sie wurden per Hand geschrieben und dann mit einem Fotokopierer vervielfältigt – meist mit einem Gerät von Canon, also auch aus japanischer Herstellung. Allerdings war dieser Vorgang sehr zeitaufwendig, mühsam und bei Sekretärinnen entsprechend unbeliebt. »Und wie kommt die Maschine mit den verschiedenen Flexionen zurecht?«
Keine schlechte Frage, dachte Nomuri. Die chinesische Sprache funktionierte in hohem Maße über phonetische Flexionen, das heißt, Ton und Stimmlage entschieden über die oft extrem abweichende Bedeutung gleich klingender Worte, wofür es jeweils entsprechende ideographische Zeichen gab.
»Erscheinen die Zeichen so auch auf dem Bildschirm?«, wollte die Sekretärin wissen.
»Das lässt sich per Mausklick einrichten«, antwortete Nomuri. »Es könnte allerdings Probleme mit der Software geben, Probleme der Art, wie sie auch auftreten, wenn man gleichzeitig in zwei verschiedenen Sprachen denkt«, fügte er lächelnd hinzu.
Ming lachte. »Oh, dazu kommt es hier ständig.«
Ein tüchtiger Kieferspezialist hätte ihrem Gebiss sicherlich gut getan, dachte Nomuri, aber davon gab es nicht viele in Peking, schon gar keine plastischen Chirurgen. Immerhin hatte er sie zum Lachen gebracht, und das war schon mal was.
»Wären Sie an einer Demonstration interessiert?«, fragte der CIA-Agent.
»Warum nicht?« Anscheinend war
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