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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Nacht.
    Yi-Am lachte boshaft. »Glauben die Wilden allen Ernstes, dass sie durch ihre stinkenden Bärenfelle gegen unsere Angriffe geschützt sind?«
    Susanoo warf ihm einen kurzen, sarkastischen Blick zu. »Das wäre gewiss sehr töricht. Doch wird Eurem Scharfsinn nicht entgangen sein, dass von lebenden Bären die Rede war …«
    Yi-Am starrte ihn mit offenem Mund an. Ein plötzliches Flügelrauschen durchbrach die lähmende Stille. Der Adler stürzte vom dunklen Himmel herab und ließ sich auf seiner Stange nieder. Während der Wärter ihn ankettete, schüttelte er die Flügel und richtete sich zum Schlafen ein. Seine Fänge waren rot von Blut.

9
    N ach der Einäscherung der Toten räumte das Heer in bedrückter Stimmung das Lager. Die Ainu waren nicht mehr zu sehen. Die Kundschafter, die Tannenwälder und Dickicht durchstreift hatten, kamen mit der Meldung zurück, dass alle Spuren nach Süden führten. Kana flog über uns mit weit ausholenden, regelmäßigen Flügelschlägen. Ihm als Einzigem entging keine Bewegung. Menschenaugen können durch die List anderer Menschen getäuscht werden. Kana sah alles.
    Die aufgehende Sonne tauchte Wälder und Täler in schimmerndes Gold. Die Blätter der Eichen hatten sich schon bunt gefärbt und dazwischen leuchtete wie Kupfer der nackte Fels. Der gewaltige Heereszug bedeckte die ganze Ebene. Das Königswappen glänzte; die Standarten der Gefechtskommandanten wehten im Wind. Die Pferde schritten mit wippender Mähne. Die schimmernden Harnische, die blinkenden Amulette gaben ihnen das Aussehen prunkvoll geschmückter Fabeltiere. Schwer bepackte Lastpferde und die Dienerschaft bildeten den Schluss des Zuges.
    So ritten wir durch das klare, kühle Frühlicht und unsere Herzen waren voller Misstrauen und Furcht. Ich dachte an die gestrige Schlacht, an Kuchikos Tod. Ich dachte an den Ainu-König, der sein Leben für sein Volk geopfert hatte. Ich sah seinen Sohn im Feuerschein stehen, hörte ihn einen Namen aussprechen: »Kubichi.« Ich dachte: Das ist nur ein Name, doch da war noch mehr. Aber was es war, das wusste ich nicht. Ich fühlte es nur im Herzen. Es war ein Leuchten und es war ein Schmerz.
    Wir ritten durch feindliches Land und waren ständig auf der Hut, doch der Tag verlief ohne Zwischenfälle. Die Landschaft veränderte sich. Der Boden war mit federndem Moos bedeckt, in das die Pferdehufe mit schmatzendem Geräusch einsanken. Ein dunkler Hügel reihte sich an den anderen. Hier und da streiften Rehe durch den Tannenwald. Die Tungusen lachten. Sie griffen nach den Waffen und erlegten sie im Spiel.
    Der Sonnenuntergang war eindrucksvoll und Furcht einflößend. Mächtige violette Wolkenbänke türmten sich am Himmel auf, der karminrot und smaragdgrün schimmerte und den ganzen Horizont färbte. Die Schatten der Hügel verdunkelten die Ebene, und Susanoo, der an meiner Seite ritt, wies auf einen allein stehenden Kegel, den die sinkende Sonne mit Purpur überzog: »Der Berg Ikoma.«
    Ein kalter Luftzug kam auf; er berührte meine Bogensehne und ließ sie summen wie eine Biene. Ich fühlte, wie eine dunkle Vorahnung sich meiner Seele bemächtigte, und flüsterte: »Wir dringen in geheiligtes Land vor.«
    Â»Im Reich des ›himmlischen Bären‹ sind die Feuer im Erdinnern noch nicht zur Ruhe gekommen.« Susanoos Stimme klang eigentümlich bedrückt. »Wenn die Glut auch Jahrhunderte hindurch unter der Oberfläche schwelt, so erwacht sie in gewissen Abständen und durchbricht die Erdkruste …«
    Er schwieg; wir ritten weiter, die Pferde im Gleichschritt. Beide empfanden wir die Fremdartigkeit dieser Gegend, ihren Zauber und ihre Macht.
    Das Lager wurde in einer gut zu verteidigenden Talmulde errichtet. Man schlug die Zelte auf. Matten, Decken und Kissen wurden ausgelegt. Diener sammelten trockenes Holz für die Feuerstellen, holten Küchengeräte und Essvorräte herbei. Die Krieger zogen den Rehen das Fell ab. Bald drehte sich das Wildbret an großen Spießen über dem Feuer aus Fichtenholz. Die Luft war angefüllt von seinem Geruch. Doch die Stimmen klangen gedämpft, das Lachen und Scherzen gezwungen. Das Licht und die Wärme des Feuers vermochten nicht die beklemmende Angst zu vertreiben. Die Geräusche der Nacht, das Knacken, Pfeifen und Flüstern im Wald, ließen rund um

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