Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
meine ich.«
»Aber es ist ja nicht im Supermarkt passiert«, sagte Severin Heger. »Sondern in ihrem Büro.«
»Ich war das ja auch nicht«, sagte Brage Håkonsen tonlos. »Das waren andere.«
Severin Heger hörte das Blut in sein Gehirn strömen, sein ganzer Körper schien zu begreifen, daß das hier der entscheidende Moment war. Das Rauschen in seinen Ohren war so laut, daß er unwillkürlich den Kopf schräg legte, ehe er fragte:
»Und wissen Sie wer?«
»Ja.«
Er hörte Schritte auf dem Gang und bereute für eine entsetzliche Sekunde, daß er vergessen hatte, das Schild mit der Aufschrift »Verhör – bitte nicht stören« anzubringen. Er atmete langsam auf, als die Schritte sich wieder entfernten.
»Und wer war es?«
Er versuchte ganz normal zu klingen. Er griff nach seinem eigenen Colaglas, wie um zu betonen, daß das für ihn eine ganz alltägliche Situation sei. Daß er fast jeden Tag mit Rechtsextremen spreche, die wußten, wer wichtige Personen aus der norwegischen Gesellschaft umgebracht hatte. Die Cola schwappte über, als er sich nachschenkte.
Zum ersten Mal huschte die Andeutung eines Lächelns über Barge Håkonsens Gesicht.
»Ich weiß, wer das war. Ich weiß auch, wer euch die Waffe geschickt hat. In einem großen braunen Umschlag, schwarz beschriftet und unfrankiert. Der Umschlag war am Hauptpostamt eingeworfen, oder? Was ich jetzt schon sagen kann, daß das zwei verschiedene Typen waren.«
Diese Details hatte die Polizei nicht an die Öffentlichkeit kommen lassen. Nicht einmal unter den Kollegen wußten viele davon. Daß die Waffe aufgetaucht war, das war auch in der Presse breitgetreten worden. Aber nicht, daß sie am Hauptpostamt aufgegeben worden war. Und schon gar nicht, daß sie in einem unfrankierten braunen Umschlag gesteckt hatte.
»Aber Namen wollen Sie mir nicht nennen?«
»Nein.«
Jetzt strahlte Brage Håkonsen, und Severin Heger mußte sich an der Tischkante festhalten, um ihm nicht eine zu scheuern.
»Nein. Ich weiß, wer die Volter umgebracht hat. Und wer die Waffe geschickt hat. Zwei Namen kann ich euch bieten. Aber ihr kriegt erst was von mir, wenn wir uns auf den Preis geeinigt haben.«
»Sie haben zu viele Filme gesehen«, fauchte Severin Heger. »So läuft das in Norwegen nicht!«
»Na«, sagte Brage Håkonsen. »Irgendwann passiert alles zum ersten Mal. Und jetzt möchte ich gern mit einem Anwalt sprechen.«
19.00, Stolmakergate 15
Billy T.s vier Söhne, Alexander, Nicolay, Peter und Truls, sahen im Schlafanzug bezaubernd aus. Wenn sie schliefen. Aber auch nur dann. Ansonsten waren sie spannend und witzig, zäh und phantasievoll, aber vor allem laut, sehr laut. Hanne Wilhelmsen faßte sich diskret an die Stirn, rasch und unmerklich, wie sie glaubte.
»Müde?« fragte Billy T., während er die Näpfe seiner Sprößlinge mit Haferbrei füllte. Die Kinder hatten Hannes Bewegung gesehen und saßen jetzt einigermaßen still da, abgesehen davon, daß Peter Truls mit einer Würstchenzange, die er aus der untersten Küchenschublade geholt hatte, in den Oberschenkel kniff.
»Nicht doch.« Sie lächelte. »Nur ein wenig … müde.«
Die Kinder waren am vorigen Abend zur Tür hereingestürzt, johlend und erwartungsvoll. Truls als Indianer verkleidet, denn er kam gerade von einem Kostümfest, die drei älteren in Trainingsanzügen und nassen Badehosen darunter.
»Also wirklich, Billy T.«, hatte Hanne gemahnt. »Es ist April!«
Beschämt hatte er gemurmelt, er habe sie doch abgetrocknet. Dabei hatte er Truls’ Federkrone an die Wand gehängt. Seither war es Schlag auf Schlag gegangen. Hanne wußte nicht, was das Schlimmste gewesen war. Vermutlich, daß Billy T. darauf bestanden hatte, Karabinerhaken mit Seilenden an der Decke zu befestigen, um zu sehen, wie weit die Jungen kommen würden. Alexander hatte sich vom Badezimmer zur Küche und zurück gehangelt, ohne einmal loszulassen, zur tiefen Bewunderung seiner jüngeren Brüder und zum lauten Applaus seines Vaters. Truls war nach dem dritten Griffwechsel heruntergefallen, und sie waren morgens im Krankenhaus gewesen, um den Arm in Gips legen zu lassen.
Und diese unglaubliche Aktivität machte sie jedenfalls todmüde. Truls achtete nicht einmal auf die Würstchenzange; ihm fielen die Augen zu, und er kaute so langsam auf seinem Haferbrei herum, als ob er schon schliefe.
»He, Junge«, brüllte Billy T. »Du mußt noch Zähne putzen!«
Eine halbe Stunde später schliefen sie wie die Murmeltiere.
»Drei
Weitere Kostenlose Bücher