Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
strich ihm über die Ohren, nickte und sagte in die Luft, die nach Baby und Desinfektionsmittel roch:
»Genau. Kaja kann die Wahrheit gesagt haben.«
Donnerstag, 24. April 1997
6.50, Stolmakergata 15
»Hanne! Aufwachen!«
Billy T. zog vorsichtig an Hannes Arm; sie lag quer über dem Bett und genoß das Alleinsein. Zwei Decken hatten sich um ihre Hüften und ihre Beine gewickelt, sie lag auf dem Rücken und hatte die Hände über den Kopf gestreckt.
»Wo warst du denn?« murmelte sie und drehte sich auf den Bauch. »Mach das Licht aus.«
»Wir mußten noch verdammt viel erledigen. Papierkram und so.«
Er riß ihr die Decken weg und ballte sie zu zwei riesigen Kissen zusammen, die er ans Kopfende legte. Dann zog er Hanne trotz ihrer leise gemurmelten Proteste in eine sitzende Stellung.
»Kaffee und Frühstück«, sagte er mit aufgesetzter Munterkeit und nickte zum Nachttisch hinüber.
»Und Zeitungen. O verdammt. Alles nur über Brages Verhaftung.«
Hanne gähnte ausgiebig und schüttelte sich. Dann hob sie die Kaffeetasse an ihren Mund und zog eine Grimasse, als sie sich die Oberlippe verbrannte.
Zuoberst lag Dagbladet. Die ganze Vorderseite zeigte Brage Håkonsen auf dem Weg vom Gericht zu einem Streifenwagen. Wie so oft auf solchen Bildern hatte er sich die Jacke über den Kopf gezogen.
»Sieh mal«, sagte Billy T., der jetzt neben ihr saß. »Da bin ich.«
Er schlug mit der Hand auf das Bild.
»Himmel, dieser Brage muß ja riesig sein«, sagte Hanne. »Der ist ja fast so groß wie Severin und du.«
Sie blätterte eilig weiter.
Volter von Neonazis ermordet
Rechtsextremist für sechs Wochen in Untersuchungshaft
Gestern nachmittag wurde ein 22 Jahre alter Mann wegen Beteiligung am Mord an Ministerpräsidentin Volter für sechs Wochen in Untersuchungshaft geschickt. Polizeipräsident Hans Christian Mykland bestätigt gegenüber Dagbladet, daß die Polizei die Festnahme des 22jährigen, der seit langem zur Neonaziszene gehört, für einen Durchbruch in ihren Ermittlungen hält. Hauptverdächtiger ist jedoch ein Mann, der am Samstag, dem 22. April, in Tromsdalen bei Tromsø einem Lawinenunglück zum Opfer fiel.
Von Steinar Grunde, Vebjørn Klaas und Sigrid Slette.
»Wir müssen allerdings darauf hinweisen, daß in diesem Fall vieles bisher ungeklärt ist und daß die Polizei noch weitere Spuren verfolgt«, sagt Polizeipräsident Mykland.
Umgekommen
Bei einer Pressekonferenz am späten Abend stellte sich heraus, daß die Polizei schon seit der Mordnacht einen 28 Jahre alten Mann verdächtigt, der als Wächter im Regierungsgebäude tätig war. Der Mann wurde mehrmals verhört, es lagen jedoch nicht genügend Beweise für einen Haftbefehl vor. Der Mann kam bei einem Lawinenunglück vor knapp zwei Wochen um, das bei Tromsø zwei Menschenleben forderte. Die Polizei glaubt, daß dieser Mann mit dem jetzt in Untersuchungshaft genommenen 22jährigen in Verbindung stand. Dieser gilt als Leiter einer militanten Neonazigruppe.
Attentatspläne
Bei der Durchsuchung der Hütte des Festgenommenen in Nordmarka fand die Polizei ein Waffenlager und detaillierte Pläne zur Ermordung prominenter Personen. Die Polizei will sich nicht dazu äußern, ob auch Birgitte Volter auf diesen Listen stand, doch Dagbladet konnte in Erfahrung bringen, daß ihr Name zuoberst auf einer Liste von sechzehn namentlich erwähnten geplanten Opfern steht.
Komplott
Dem inhaftierten 22jährigen werden unter anderem illegaler Waffenbesitz und »versuchte Störung der öffentlichen Ordnung« vorgeworfen. Der Untersuchungsrichter bestätigt, daß stichhaltige Gründe bestehen, um den 22jährigen des Mordes an Birgitte Volter zu verdächtigen. Obwohl der Festgenommene ein Alibi für den Mordabend hat, hält die Polizei ihn für einen von möglicherweise mehreren Drahtziehern.
»Wir haben Grund zu der Annahme, daß es sich um ein Komplott handelt«, sagt Hans Christian Mykland, der weitere Festnahmen nicht ausschließen will.
»Der arme Junge«, sagte Hanne und kratzte sich zwischen den Augenbrauen. »Der wird noch eine ganze Weile sitzen. Egal wie.«
»Was meinst du mit egal wie?« fragte Billy T. wütend. »Der Kerl trieft doch nur so von Schuld.«
»Ist dir eigentlich nichts aufgefallen?« fragte Hanne und griff zur AZ, die ebenso ausführlich über Brage Håkonsen berichtete wie alle anderen Zeitungen.
»Doch«, sagte Billy T. und fuhr mit der Hand über das Laken. »Du krümelst wie bescheuert. Ich muß bald im Bett
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