Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
Vom Netzwerk:
mehr verraten als Hunderte von Empfehlungen.
    Er wußte selbst nicht so recht, warum er sich letztendlich für diesen Mann entschieden hatte. Die Art, wie der Junge sich bewegte und kleidete, hatte irgend etwas unerträglich Feminines. Vielleicht lag es auch an seinem Blick. Er hatte braune Augen, die dem Blick auszuweichen schienen. Unentschieden. Vage.
    »Kommt nicht in Frage«, hatte er entschieden. »Der Mann ist ein Risiko.«
    Sicherheitsvorkehrungen. Doppelte Überprüfungen. Dreifache Garantien. Nie war das alles wichtiger gewesen als heute, wo die Landesverräter im Parlament den Polizeilichen Überwachungsdienst gezwungen hatten, ihre Aufmerksamkeit von der wirklichen Gefahr – der roten – abzuwenden und auf Gruppen wie die seine zu richten.
    Endlich hatte er etwas aufbauen können, das sich als schlagkräftige Organisation bezeichnen ließ. Sie waren zwar nicht viele, und nur auf zehn von ihnen konnte er sich hundertprozentig verlassen. Aber es kam schließlich nicht auf die Quantität an, sondern auf die Qualität. Bei der Rekrutierung mußten sie ungeheuer vorsichtig vorgehen. Ein potentielles Mitglied wurde viele Monate lang unter die Lupe genommen, ehe die Gruppe die ersten Annäherungsversuche machte.
    Der Wächter unterstützte die rechtspopulistische FRP. Nicht etwa als Mitglied, aber ganz offenbar als Sympathisant. Das war normalerweise keine gute Ausgangsbasis. Zwar vertrat die FRP oft dieselbe wahre Vaterlandsliebe wie er selber, aber die meisten ihrer Leute waren strohdumm oder litten an etwas, das er als demokratischen Überschwang bezeichnete. Dieser Ausdruck gefiel ihm, er hatte ihn sich selbst ausgedacht. Der FRP fehlte das rechte Verständnis für die zwingende Notwendigkeit, zu anderen Mitteln zu greifen, als die judenhörige Machtelite des Landes das zuließ.
    Also hatte er abgelehnt. Die beiden, die den Mann empfohlen hatten, waren sauer gewesen, aber offenbar hatten sie seine Entscheidung akzeptiert. Was blieb ihnen auch anderes übrig?
    »Er muß sich zuerst beweisen«, hatte er vor etwa einem Jahr erklärt.
    Kurz darauf hatten die beiden ihm erzählt, der Wächter sei mit einem Burschen aus Loki befreundet.
    Loki war ein Verein romantischer Trottel, eine Bande versoffener Pfadfinder, die sich vollaufen ließen und dann Autos von Pakistanern zerstörten. Bubenstreiche. Ohne ideologische Verankerung, sie hatten einfach keine Ahnung, hatten kaum je etwas anderes gelesen als Wildwestheftchen. Aber der Wächter hatte einen interessanten Job.
    Sie hatten noch nie die Möglichkeit gehabt, jemanden mit so direktem Kontakt zur Regierung anzuwerben. Und ein engerer Kontakt, als der Wächter ihn hatte, war schließlich kaum möglich.
    Also hatte er den Mann weiterhin überwacht. Auf eigene Faust und nicht sehr oft. Er wußte alles über den Wächter. Er wußte, welche Zeitungen er las, welche Zeitschriften er abonniert hatte und welche Waffen er besaß. Denn als Mitglied in einem Pistolenklub verfügte er über Schußwaffen. Er, der Führer, hatte zu Hause im Keller eine Mappe mit Informationen über den Wächter, er wußte sogar, daß er mit der fünfzehnjährigen Tochter seines Hausmeisters vögelte und Rasierwasser von Boss benutzte.
    Ganz langsam hatte er sich dem Mann genähert. Wie zufällig hatte er in einem Café, wo der Wächter allein an einem Vierertisch gesessen hatte, gefragt, ob noch ein Platz frei sei. Danach hatte er eine Waffenzeitschrift aus den USA aus der Tasche gezogen. Der Wächter hatte angebissen, und seither hatten sie sich fünf- oder sechsmal getroffen.
    Der Mann war noch kein Mitglied. Er wußte nicht einmal von der Gruppe, zumindest nichts Konkretes. Aber irgendwie mußte er begriffen haben, daß es eine Möglichkeit gab. Er selbst, der Führer, hatte soviel erzählt, wie es ihm möglich war, ohne daß ihm etwas nachzuweisen wäre, ohne daß Klatsch aufkommen würde. Und der Wächter hatte begriffen, daß es eine Möglichkeit gab, auch für ihn.
    Das Wichtigste war jetzt, auf Distanz zu bleiben. Auf totaler Distanz. Niemand durfte den Wächter mit der Gruppe in Verbindung bringen. Das war lebenswichtig.
    »Endlich passiert etwas«, rief Brage Håkonsen zwei Krähen zu, die erschrocken von einem umgestürzten Baum aufflogen.
    Dann steuerte der kräftige junge Mann mit langen Schritten die Holzhütte am Waldrand an.
    »Endlich passiert etwas!«
    In der Hütte bewahrte er viele Papiere auf, alle sorgfältig in Ordner und Plastikmappen einsortiert. Er setzte sich, noch

Weitere Kostenlose Bücher