Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
Vom Netzwerk:
gegenüber der Öffentlichkeit niemals zu Livs Tod geäußert. Personen, zu denen die AZ Kontakt aufgenommen hat und die nach eigener Aussage der Familie Volter/Hansen sehr nahestehen, sagen aus, nichts von diesem tragischen Ereignis gewußt zu haben. Der Witwer Roy Hansen stand für einen Kommentar nicht zur Verfügung.
    Unbekannt war bisher auch, daß Birgitte Volter und Benjamin Grinde in ihrer Jugend eng befreundet waren. Über dreißig Jahre später leitet eben dieser Benjamin Grinde die Kommission, die die Ereignisse des Jahres 1965, als in Norwegen außergewöhnlich viele Kleinkinder starben, näher untersuchen soll.
    Liten Lettvik zündete sich ein Zigarillo an und blätterte ein paar Seiten weiter.

»Äußerst bedenklich«, sagt Professor Fred Brynjestad
    Von Liten Lettvik und Bent Skulle (Foto)
    Es besteht aller Grund zur Skepsis, was Richter Benjamin Grindes Unbefangenheit als Leiter der Untersuchungen zu dem möglichen Gesundheitsskandal von 1965 angeht. Das behauptet zumindest Dr. jur. Fred Brynjestad, Professor des öffentlichen Rechts, im Gespräch mit der AZ.
    »Wenn Birgitte Volter im fraglichen Jahr eine Tochter verloren hat und damals eng mit Benjamin Grinde befreundet war, dann sollten wir vorsichtig sein«, meint Prof.   Dr. jur. Fred Brynjestad. »Ministerpräsidentin Volter hätte auf diese belastenden Tatsachen hinweisen müssen, ehe Grinde mit der Leitung der Kommission betraut wurde.«
    »Noch schlimmer ist jedoch, daß Grinde das nicht selbst übernommen hat«, sagt Brynjestad. »Ihm als fähigem Juristen hätten diese äußerst bedenklichen Umstände sofort auffallen müssen.«
    Brynjestad fügt hinzu, daß Grinde zwar nicht zwangsläufig befangen sein müsse, daß er den Auftrag aber in jedem Fall hätte ablehnen müssen.
    »Wir sehen in unserer Gesellschaft die bedauerliche Tendenz«, sagt Professor Brynjestad, »daß die Elite in immer höherem Grad intern verbandelt ist, so daß für den normalen Bürger die Grenzen zwischen Macht und Einfluß verwischt werden. Es gibt ein unsichtbares Netzwerk aus Kräften, die wir nicht kontrollieren können.«
    Die von der AZ in der letzten Woche vorgenommenen Untersuchungen zeigen uns Benjamin Grinde als graue Eminenz des norwegischen Gesellschaftslebens. Ein Jugendfreund Birgitte Volters, eng befreundet mit wichtigen Personen aus Parlament und Justiz.
    Die Abgeordnete Kari-Anne Søfteland von der Zentralpartei ist zutiefst entrüstet darüber, daß diese Verhältnisse nicht früher ans Licht gekommen sind.
    »Jetzt müssen wir uns überlegen, ob wir nicht eine ganz neue Kommission einsetzen sollten«, sagte sie gegenüber der AZ. »Vermutlich hätte auch diese Kommission vom Parlament eingesetzt werden müssen. Und es wäre sehr bedauerlich, wenn es zu Verzögerungen in der Ermittlungsarbeit der Kommission käme.«
    Liten Lettvik schaltete den Computer aus. Dann zog sie das Fotoalbum aus einer Schreibtischschublade. Zerstreut blätterte sie darin herum. An einigen Stellen klafften Löcher; die Fotoecken, in denen Familienbilder gesteckt hatten, bildeten sinnlose Rahmen um ein Nichts.
    Liten Lettvik hatte nur ein Problem: Wie sollte sie das Album zurückbringen?
    Sie dachte eine Weile nach, während das Zimmer sich langsam mit leichtem, weißen Tabakrauch füllte.
    »Genaugenommen ist das eigentlich egal«, beschloß sie schließlich. »Ich könnte den ganzen Kram ja auch verbrennen.«
    Das Album nahm sie mit nach Hause. Sicherheitshalber.
    7.00, Botanischer Garten, Tøyen
    Hanne Wilhelmsen mochte das Gefühl, wenn der Schweiß strömte und ihr Herz protestierte. Auf dem nicht besonders steilen Trondheimsvei hatte sie einen Zahn zugelegt und war danach durch den Botanischen Garten zum Zoologischen Museum gelaufen. Sie suchte sich eine Bank unter einem exotischen Baum, dessen Namen sie nicht kannte.
    Sie war noch nie in so guter Form gewesen. Sie schloß die Augen und atmete den Duft der Bäume ein. Cecilie hatte recht gehabt: Ihr Geruchssinn hatte sich gebessert, seit sie das Rauchen aufgegeben hatte.
    Ein alter Mann kam auf sie zu. In der einen Hand hielt er einen Rechen, in der anderen einen Blumenspaten.
    »Schönes Wetter«, nickte er ihr zu und lächelte zum Himmel hoch, der grau und feucht über ihnen hing; es nieselte.
    Hanne Wilhelmsen lachte.
    »Sie haben gut reden!«
    Der Mann sah sie an und faßte einen Entschluß. Er setzte sich neben sie auf die Bank und fischte einen Priem hervor, den er sorgfältig unter seiner Zunge

Weitere Kostenlose Bücher