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Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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verstaute.
    »Das ist das beste Wetter«, murmelte er. »Morgens Regen, nachmittags Sonne.«
    »Meinen Sie?« fragte Hanne skeptisch und legte den Kopf in den Nacken.
    Der Nieselregen legte sich wie ein feuchtes Tuch auf ihr Gesicht.
    »Garantiert«, sagte der Mann schmunzelnd. »Schauen Sie doch.«
    Er zeigte nach Westen, wo die Sofienbergkirche im grauweißen Licht aufragte.
    »Sehen Sie, da wird es heller.«
    Hanne nickte.
    »Wenn es dahinten überm Holmenkollen heller wird und wenn kein Wind weht, so wie jetzt, dann können wir einige Stunden später mit gutem Wetter rechnen.«
    »Aber der Wetterbericht ist da anderer Meinung«, sagte Hanne, stand auf und reckte sich. »Die haben Regen bis zum Mittwoch gemeldet.«
    Der alte Mann lachte und spuckte braunen Tabaksaft aus.
    »Ich arbeite seit zweiundvierzig Jahren hier«, sagte er fröhlich. »Seit zweiundvierzig Jahren kümmere ich mich um meine Pflanzen. Ich weiß, was sie brauchen. An Wasser und Sonne und Pflege. Das ist eine schöne Arbeit, wissen Sie, junge Frau. Angeblich brauchen die Bäume und Pflanzen wissenschaftliche Betreuung. Aber in Wirklichkeit … brauchen sie noch mehr.«
    Lange sah er sie an. Sie ließ die Arme sinken und blickte zurück. Sein Gesicht war runzlig und braun, und sie staunte darüber, daß er noch immer berufstätig war. Er hätte sicher schon vor Jahren in Rente gehen können. Er war eine angenehme Gesellschaft, denn er strahlte eine Ruhe aus, die von ihr nicht viele Worte verlangte.
    »Der Instinkt ist am wichtigsten, wissen Sie. Ich bekomme von denen Bücher und Artikel und was weiß ich. Aber die brauche ich nicht. Ich weiß, was jede einzelne kleine Blume und jeder große Baum in diesem Garten brauchen. Ich habe diesen Instinkt, wissen Sie, junge Frau. Ich weiß, wie das Wetter wird, und ich weiß, was sie brauchen. Jede einzelne kleine Blume.«
    Er stand auf und ging zu einer kleinen Pflanze hinter der Bank.
    »Sehen Sie sich diesen Busch hier an, junge Frau«, sagte der Gärtner. »Der kommt aus Afrika. Ich brauche keine Bücher zu lesen, um zu wissen, daß dieses kleine Wesen besonders viel Wärme und Pflege braucht. Er hat doch Heimweh, das arme Ding, nach der Wärme und den Freunden unten in Afrika.«
    Er fuhr mit der Hand über den Stamm, und Hanne kniff die Augen zusammen, als sie sah, daß der Strauch diese Berührung offenbar genoß. Die Hand war groß und grob, berührte die Pflanze jedoch mit sanfter, sinnlicher Aufmerksamkeit.
    »Sie lieben diese Pflanzen«, sagte Hanne und lächelte.
    Der Gärtner richtete sich mühsam auf und stützte sich auf seinen Rechen.
    »Sonst geht die Arbeit nicht«, sagte er. »Ich mach das jetzt schon seit zweiundvierzig Jahren, wissen Sie. Und was machen Sie?«
    »Ich bin bei der Polizei.«
    Der Mann lachte laut, ein polterndes, ansteckendes Lachen.
    »Ja, da haben Sie sicher genug zu tun. Wo doch die arme Birgitte Volter krepiert ist und überhaupt. Haben Sie denn da überhaupt noch Zeit, sich in Parks rumzutreiben?«
    »Ach, eigentlich bin ich gerade beurlaubt.« Hanne wollte gerade anfangen zu erzählen, unterbrach sich jedoch. »Aber ich muß ja trotzdem in Form bleiben, wissen Sie. Immer.«
    Der Mann zog eine riesige Taschenuhr hervor.
    »Na, ich muß machen, daß ich weiterkomme«, sagte er. »Der Frühling ist die anstrengendste Jahreszeit, das können Sie sich sicher denken. Schönen Tag noch.«
    Er lächelte und hob den Rechen zu einem Gruß. Ein Stück weiter unten am Hang drehte er sich um und kam noch einmal zurück.
    »Hören Sie«, sagte er ernst. »Ich hab ja keine Ahnung von solchem Polizeikram. Ich kümmere mich nur um meinen Garten. Aber bei euch ist das doch sicher nicht anders oder? Daß es auf den Instinkt ankommt, meine ich?«
    »Ich glaube, da haben Sie recht«, sagte sie leise.
    Wieder hob der alte Mann den Rechen und trottete weiter.
    Hanne Wilhelmsen holte tief Atem. Die Luft war kühl, feucht und ein bißchen wie Kosmetik von innen. Ihr Kopf wurde leicht, die Gedanken erschienen ihr klarer als sonst.
    Sie kam sich vor wie Hercule Poirot. Sie war auf ihre »kleinen grauen Zellen« angewiesen. Normalerweise verfügte sie über alle Informationen, die zu einem Fall gehörten. Jetzt kannte sie nur Bruchstücke; sogar Billy T. hatte sich über das frustierende Gefühl beklagt, in einer Gruppe zu arbeiten, die so groß war, daß nur die allerwenigsten über alle Informationen verfügten. Zwar hatte Håkon einen guten Gesamtüberblick, aber er stand total unter

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