Im Zeichen des Schicksals
kommen wohl nicht sehr gut miteinander aus?«, erkundigte ich mich.
Marie machte ein Gesicht, als sei sie bei einer Untat ertappt worden. »Verzeihen Sie mir bitte, aber es ist nicht an mir, darüber zu urteilen. Bestimmt wird Ihnen Monsieur Josh alles über die Familie erzählen. Und nun lassen Sie uns ins Obergeschoss hinaufgehen, damit ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen kann.«
Bevor ich weitere Fragen stellen oder einen richtigen Blick in die riesige Küche werfen konnte, war Marie zum Ende des Flurs weitergegangen und stieg die Treppe hinauf. Die Treppe bestand aus poliertem dunklem Holz. Ich legte die Hände zu beiden Seiten auf die Geländer, während ich hinter ihr hinaufstieg, und zählte jede Stufe bis zum ersten Stock: insgesamt sechsundzwanzig. Anders als unten, wo alle Räume von einem zentralen Flur abzweigten, der in der Mitte durch das Haus lief, war das Zentrum dieses Stockwerks offen und ohne Wände, sodass man von unten direkt bis zu dem schönen Fresko an der hohen Decke hinaufschauen konnte. Um dieses leere Quadrat herum verliefen Geländer mit kunstvollen Schnitzarbeiten aus dem gleichen dunklen Holz wie die Treppe, und weiche cremefarbene Teppiche führten ringsum zu sechs Türen. Ich schaute auf meine uralten Turnschuhe hinab und hoffte, dass ich keine Dreckspur hinter mir herzog.
»Die vorderen drei Zimmer des Hauses gehören Monsieur Robert.« Marie deutete quer über den leeren Raum hinüber.
»Und sie dürfen nicht betreten werden?«, riet ich.
Marie nickte und machte keine weitere Bemerkung dazu. Ich gewann den Eindruck, dass Monsieur Robert vielleicht ein wenig exzentrisch sein könnte. Was wollte eine Einzelperson mit drei Zimmern anfangen? Vor allem, wenn sie unten bereits ihr eigenes, ganz privates Arbeitszimmer hatte sowie ein Wohn- und ein Esszimmer?
»Das auf der linken Seite ist Monsieur Joshs Zimmer«, fuhr Marie fort. »In der Mitte ist das Musikzimmer; von dort geht es auf die Terrasse, mit Blick auf die hinteren Gärten, und dieses hier – das ist Ihr Zimmer.« Sie lächelte, als sie die Tür aufdrückte.
Ich trat hinter ihr ein und erstarrte. Der Raum war fast so groß wie meine gesamte Wohnung in Boston! An der Wand zu meiner Linken standen ein überdimensioniertes Bücherregal sowie ein gewaltiger lederüberzogener Schreibtisch. Zwei Riesenfenster gaben den Blick auf den hinteren Garten und den Wald frei. Genauso große Fenster füllten auch die nächste Wand, darunter befand sich eine lange Fensterbank, auf der sich Plüschkissen stapelten, während sich im Inneren Schubladen versteckten. Gegenüber vom größten Bett, das ich je gesehen hatte, befanden sich drei riesige Schränke und eine weiße Tür.
»Und hier ist natürlich das Bad.« Marie ging um das Bett herum und öffnete die weiße Tür. Von meinem Standort aus konnte ich Marmorfliesen und zwei Waschbecken erkennen.
»Natürlich«, wiederholte ich dümmlich. Das Ganze musste eine Art Scherz sein. Ich konnte unmöglich hier wohnen. Ich meine: zwei Waschbecken?
»Ich werde Sie jetzt allein lassen, damit Sie sich einrichten können, Mademoiselle Celine. Ich habe Ihre Kleider zusammengelegt und weggeräumt, Sie können sie in den Schubladen finden, falls Sie sich umziehen wollen.«
Kleider?
»Da muss ein Irrtum vorliegen, ich habe all meine Sachen hier drinnen«, sagte ich und deutete auf den Rucksack auf meiner Schulter. Tatsächlich hatte ich nur zwei T-Shirts und etwas Unterwäsche, da meine Jeans beim Unfall zerrissen worden waren und ich das einzige andere Paar trug, das ich mitgenommen hatte.
Marie wirkte verlegen. »Aber Monsieur Josh hat gestern mehrere Tüten Kleider mit nach Hause gebracht und mich gebeten, sie in Ihr Zimmer zu legen. Vielleicht wollte er Sie ja überraschen? Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, ich muss nach dem Mittagessen sehen.«
Die Tür schloss sich mit einem leisen Klicken, und ich stand da und lauschte mit einem Gefühl der Ungläubigkeit Maries sich entfernenden Schritten. Dieses Haus, dieses Zimmer und neue Kleider? Ich ging zu den Schränken und zog die Türen auf.
T-Shirts, Strickjacken, Röcke, Socken, Hosen, Kleider, Schuhe, Stiefel … da waren sogar BHs und Unterwäsche, und alles war von derselben Marke: French Connection. Es war, als sei Josh in einen ihrer Läden gegangen und hätte alles darin aufgekauft! Auch wenn ich niemals etwas besessen hatte, was nicht aus einem Secondhandladen gekommen war – selbst ich wusste, dass das alles ein Vermögen gekostet
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