Im Zeichen des Zorro
Rand meiner
Maske anheben, und ich habe nicht die Absicht, meine Identität
preiszugeben. Ich lege die Pistole vor mir auf den Tisch, so, damit
niemand auf schlechte Gedanken kommt. Und nun, Don Carlos Pulido, werde
ich mich ganz der Mahlzeit widmen, die Ihr so gütig bereitgestellt
habt.«
Don Carlos und seine Tochter
setzten sich an den angewiesenen Platz, und der Bandit aß mit
offenkundigem Appetit. Bisweilen hielt er inne, um mit ihnen zu sprechen,
und einmal hieß er Don Carlos, mehr Wein holen zu lassen, von dem er
erklärte, es sei der Beste, den er seit einem vollen Jahr gekostet
habe.
Don Carlos war nur zu gerne
bereit, diesem Wunsch nachzukommen. Er spielte auf Zeit. Er kannte das
Pferd, mit dem der Indianer unterwegs war, und nahm an, dass dieser die
Garnison in Reina de los Angeles bereits erreicht hätte und die
Soldaten demnach schon unterwegs wären. Wenn er nur diesen Senor
Zorro bis zu ihrer Ankunft hinhalten könnte!
»Ich lasse Euch gerade
etwas Wegzehrung zusammenstellen, Senor«, sagte er. »Ihr
entschuldigt mich doch, während ich sie hole? Meine Tochter wird Euch
so lange Gesellschaft leisten.«
Senor Zorro verneigte sich,
und Don Carlos eilte aus dem Zimmer. Aber Don Carlos hatte in seinem Eifer
einen Fehler begangen. Es war höchst ungewöhnlich, ein Mädchen
auf diese Art mit einem Fremden allein zu lassen, vor allem, wenn der
Fremde ein Bandit war. Senor Zorro erriet auf der Stelle, dass er
absichtlich hingehalten werden sollte. Auch war es höchst
unwahrscheinlich, dass ein Mann wie Don Carlos das Päckchen mit
Lebensmitteln selbst holte, wo es doch Diener zuhauf gab, die er durch ein
einfaches Klatschen der Hände rufen konnte. In Wirklichkeit war Don
Carlos in das angrenzende Zimmer gegangen, um am Fenster nach dem
Getrappel galoppierender Pferde zu horchen.
»Senor!«, flüsterte
Lolita quer durch das Zimmer.
»Was ist denn,
Senorita?«
»Ihr müsst
aufbrechen - sofort. Ich fürchte, mein Vater hat nach den Soldaten
schicken lassen.«
»Und Ihr seid so
freundlich, mich zu warnen?«
»Glaubt Ihr, ich möchte
mit ansehen, wie man Euch hier ergreift? Glaubt Ihr, ich möchte Kampf
und Blutvergießen sehen?«, fragte sie.
»Und das ist der
einzige Grund, Senorita?«
»Ich bitte Euch, geht,
Senor!«
»Es widerstrebt mir
zutiefst, Senorita, eine derart bezaubernde Gesellschaft aufzugeben. Wird
es mir vergönnt sein, Euch zur nächsten Siesta wieder
aufzusuchen?«
»Im Namen der Heiligen
— nein! Damit muss Schluss sein, Senor Zorro. Geht Eures Weges
… und nehmt Euch in Acht. Ihr habt Dinge vollbracht, die ich
bewundere, und daher möchte ich nicht, dass Ihr gefasst werdet. Zieht
nach Norden, hinauf nach San Francisco de Asis, und werdet ehrbar, Senor.
Das ist der bessere Weg.«
»Meine kleine
Predigerin«, sagte er.
»Werdet Ihr nun gehen,
Senor?«
»Aber Euer Vater ist
doch gegangen, um mir Wegzehrung zu bringen, und wie könnte ich
gehen, ohne ihm für die Mahlzeit zu danken?«
In diesem Moment kam Don
Carlos zurück in das Zimmer, und Senor Zorro konnte an seinem
Gesichtsausdruck ablesen, dass die Soldaten schon den Pfad heraufritten.
Der Herr des Hauses legte ein Bündel auf den Tisch.
»Hier habt Ihr etwas Stärkung
für die Reise, Senor«, sagte er. »Doch uns dürstet
nach weiteren Eurer Anekdoten, bevor Ihr Euch auf den gefahrvollen Weg
macht.«
»Ich habe bereits zu
viel über mich gesprochen, Senor, und das steht einem caballero kaum gut
an. Es ist besser, ich danke Euch und verlasse Euch jetzt.«
»Bleibt, Senor,
zumindest noch auf einen Becher Wein.«
»Ich fürchte«,
erklärte Senor Zorro, »die Soldaten sind bereits zu nah, Don
Carlos.«
Bei diesen Worten erbleichte
der Don, denn der Mann mit der Maske ergriff die Pistole, und Don Carlos fürchtete
schon, er werde nun den Preis für seine verräterische
Gastfreundschaft zahlen müssen. Aber Senor Zorro machte keine
Anstalten abzudrücken.
»Ich vergebe Euch
diesen Bruch des Gastrechts, Don Carlos, denn ich bin ein Geächteter,
auf dessen Kopf ein Preis ausgesetzt ist«, sagte er. »Und ich
hege Euch deshalb keinen Groll. Buenas noches, Senorita! Senor, adiós!«
Da lief ein verängstigter
Diener, der wenig von den Ereignissen des Abends wusste, zur Tür
herein.
»Herr! Die Soldaten
sind da!«, schrie er. »Sie umstellen das Haus!«
9
DIE
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