Im Zeichen des Zorro
KLINGEN WERDEN
GEKREUZT
Auf dem schweren Tisch, etwa
in der Mitte, stand ein ausladender candelero, in dem ein halbes Dutzend
Kerzen mit heller Flamme brannte. Senor Zorro sprang nun darauf zu und
fegte ihn mit einem einzigen Streich seiner Hand zu Boden, woraufhin in
einem Augenblick alle Kerzen erloschen und das Zimmer in völlige
Dunkelheit getaucht wurde.
Er umging Don Carlos' ungestümen
Angriff, indem er so sachte durch das Zimmer tänzelte, dass seine
weichen Stiefel nicht den mindesten Laut verursachten, der seinen
Aufenthaltsort hätte verraten können. Einen kurzen Moment lang
spürte Senorita Lolita einen Männerarm, der ihre Taille umfasste
und sie sanft näherdrückte, spürte sie den Atem eines
Mannes an ihrer Wange, hörte sie einen Mann in ihr Ohr hauchen:
»Auf bald, Senorita.«
Don Carlos brüllte wie
ein Stier, um die Soldaten an Ort und Stelle zu führen, und schon
pochten einige von ihnen an die Eingangstür. Senor Zorro stürzte
aus dem Zimmer und in das angrenzende hinein, das ausgerechnet die Küche
war. Die indianische Dienerschaft flüchtete vor ihm, als sei er ein
Gespenst, und er löschte rasch alle Kerzen, die dort brannten.
Dann huschte er zur Tür,
die auf den Patio hinausführte, ließ mit lauter Stimme einen
Ruf erschallen, der halb Ächzen, halb Kreischen war — einen
seltsamen Ruf, wie ihn niemand auf der Hacienda Pulido je zuvor vernommen
hatte.
Als die Soldaten zur
Eingangstür hereinstürmten und Don Carlos nach dem Kienspan
verlangte, um die Kerzen wieder zu entzünden, ertönte aus dem
hinteren Teil des Patio das Geräusch galoppierender Hufe. Den
Soldaten war klar, dass sich dort gerade ein kräftiges Pferd in
Bewegung setzte.
Das Geräusch der Hufe
erstarb in der Ferne, doch die Richtung, die das Pferd nahm, war
eindeutig.
»Der Satanskerl
entkommt!«, brüllte Sargento Gonzales, der den Trupp
befehligte. »Aufsitzen und ihm nach! Ein Drittel der Belohnung für
den, der ihn einholt!«
Der dicke Feldwebel stürzte
aus dem Haus, dicht gefolgt von seinen Männern. Sie taumelten in die
Sättel und sprengten in wilder Hätz durch die Nacht, dem Geräusch
der donnernden Hufe hinterher.
»Licht! Licht!«,
schrie Don Carlos im Haus.
Ein Diener brachte einen
Kienspan, und die Kerzen wurden wieder entfacht. Don Carlos stand in der
Mitte des Zimmers und ballte die Fäuste, rasend vor ohnmächtiger
Wut. Senorita Lolita kauerte in einer Ecke, die Augen vor Furcht weit
aufgerissen. Dona Catalina, die sich von ihrer Ohnmacht wieder gänzlich
erholt hatte, kam aus ihrem eigenen Zimmer, um den Grund für den
Tumult zu erfahren.
»Der Schuft ist
entkommen!«, stellte Don Carlos fest. »Bleibt nur zu hoffen,
dass die Soldaten ihn zu fassen kriegen.«
»Zumindest ist er
gerissen und mutig«, meinte Senorita Lolita.
»Das gestehe ich ihm
zu, aber er ist ein Dieb und Straßenräuber!«, brüllte
Don Carlos. »Warum quält er mich und sucht mein Haus heim?«
Senorita Lolita hätte
eine Antwort darauf parat gehabt, aber sie wäre die Letzte gewesen,
ihren Eltern diesen Grund zu nennen. Auf ihrem Gesicht lag noch ein
leichtes Rot, ausgelöst durch den Arm, der sie umfasst
hatte, und die Worte, die an ihr Ohr gedrungen waren.
Don Carlos warf die Eingangstür
weit auf und blieb horchend im Türstock stehen. Erneut drang das Geräusch
galoppierender Hufe an sein Ohr.
»Meinen Degen!«,
rief er einem Diener zu. »Da kommt jemand. Womöglich kehrt der
Schuft zurück! Es ist nur ein einziger Reiter - die Heiligen stehen
uns bei!«
Das Getrappel erstarb; ein
Mann schritt über die Veranda, eilte durch die Tür und in das
Zimmer.
»Den Heiligen sei Dank!«,
seufzte Don Carlos.
Es war nicht der Straßenräuber,
der zurückgekehrt war; es war Capitán Ramón, Kommandant
der Garnison in Reina de los Angeles.
»Wo sind meine Männer?«,
rief der Hauptmann.
»Weg, Senor! Dem
Schwein von Strauchdieb hinterher!«, klärte Don Carlos ihn auf.
»Er konnte entkommen?«
»Und das, obwohl Eure Männer
das Haus umstellt hatten. Er hat die Kerzen zu Boden geschlagen, ist durch
die Küche geflüchtet —«
»Meine Männer
haben die Verfolgung aufgenommen?«
»Sie sind ihm auf den
Fersen, Senor!«
»Ha! Wollen wir nur
hoffen, dass sie diesen feinen Vogel auch fangen. Er ist ein Stachel im
Fleisch des Militärs. Wir kriegen ihn nicht zu fassen, und der
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