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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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konnte das einfach nicht glauben. Irgendetwas Schlimmes musste passiert sein. »Vielleicht ist sie von einer Kuh umgerannt worden.«
    »Richtig. Wir sind ja in Spanien, da gehört so was zum guten Ton …«
    »Nein, wirklich Betty. Kühe können gefährlich sein.«
    »Noch gefährlicher als Sexfallen?«
    Ich stand auf und entfernte mich ein paar Schritte vom Camper, um einen besseren Überblick über die Weidelandschaft zu bekommen, und erkannte plötzlich am Horizont einen Punkt, der näher zu kommen schien. »Ich glaub, ich seh sie!«
    »Na also.« Betty leckte das Paper an. »Wir atmen tief und ohne Angst.«
    »Warte mal …« Zu dem ersten Punkt gesellte sich ein zweiter. Keine Kuh. Eine Person. Ich starrte in die Ferne, bis ich mir ganz sicher war, dass das da hinten wirklich Lucy war. Neben ihr ging ein fremder Mann. »Sie ist nicht allein.«
    Betty zündete in aller Seelenruhe den Joint an, nahm einen Zug und blinzelte in die Sonne. »Je mehr, desto lustiger.«
    Nicht schon wieder. »Das wird doch wohl kein Anhalter sein.«
    »Vielleicht ist es ja ein Torero …«
    Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und sagte gedehnt. »Nein.« Ziemlich sicher war das kein Torero. »Kein rotes Tuch in Sicht.«
    »Das ist doch eh nur für die Show, oder?«
    Lucy hatte mich inzwischen entdeckt und winkte. Ich winkte zurück und wartete, bis sie und ihr Begleiter unseren Lagerplatz erreicht hatten. Der junge Mann neben ihr war groß, schlank, braun gebrannt, trug Jeans und ein verwaschenes, rotes T -Shirt, in der Hand hielt er einen ausgebleichten Rucksack, der einmal blau gewesen sein musste und jetzt taubengrau aussah. Sein dichtes schwarzes Haar war ungekämmt und seine Augen dunkelbraun. Er sagte »Hola!«. Was das hieß, wusste selbst ich. Aber damit war mein Spanischwortschatz dann leider auch schon ausgereizt. Es war ein Trauerspiel.
    »Hi«, antwortete ich, um ein bisschen Abwechslung in die Unterhaltung zu bringen.
    Betty winkte dem Neuankömmling zu, den Joint zwischen Zeige- und Mittelfinger ihrer Winkehand, und nickte in seine Richtung, als sie Lucy fragte: »Wen hast du mitgebracht?«
    »Tja, also das«, antwortete sie und verteilte ihr Lächeln gleichmäßig auf Betty, mich und unseren Besucher, »ist Jesus.«
    »Klar. Wer sonst?«, bemerkte ich trocken.
    Er grüßte noch einmal in die Runde, ließ seinen Rucksack fallen und setzte sich daneben ins Gras. Betty reichte ihm den Joint, er nahm ihn dankbar lächelnd entgegen und inhalierte den Rauch.
    »Sieh mal einer an. Jesus kifft.«
    »Ja, aber Daphne, das heißt nicht Jesus«, verbesserte mich Lucy. »Das heißt Chesuus, mit spanischem Akzent. Mit Ch statt J und langem U.«
    »Danke, Lucy.«
    »Ey, Marco!«, rief Betty den Beinen unter unserem Bus zu. »Jesus ist hier, sag Hallo!«
    »Betty! Ch statt J«, korrigierte Lucy sie ungeduldig, »Ch statt J, das ist doch nicht so schwer …«
    Ein ölverschmierter Oberkörper schob sich unter der Karosserie hervor, und kurz darauf kam Marco über die Wiese auf uns zugetrottet. Er reichte Jesus die Hand. »Hi. Marco.«
    »Jesus.« Der junge Mann neigte seinen Kopf nach hinten, damit er Marco besser sehen konnte. »Cómo estás?«
    »Bien.«
    Ein Hoffnungsschimmer. »Marco, sprichst du Spanisch?«
    »Ich? Nö.« Er ließ sich erschöpft ins Gras fallen und streckte eine Hand nach dem Joint aus. »Das mit dem Bus klappt alles nicht so, wie ich dachte«, erklärte er frustriert.
    »Was heißt das?«
    Marco nahm einen Zug und atmete den Rauch langsam aus, bevor er sagte: »Ich hab keine Ahnung, wie ich das Ding wieder zum Fahren bringen soll.«
    Lucy sah mich mit ängstlichen Augen an. Ich hätte sie gern getröstet, aber ich wusste ja selbst nicht, wie wir aus dieser Patsche wieder herauskommen sollten, und war ähnlich verzweifelt wie sie. Es half alles nichts, wir brauchten ein Wunder. Es traf sich gut, dass ganz zufällig Jesus vorbeigekommen war.
    Jetzt ragten also zwei Beinpaare unter dem Bus hervor, während Lucy daneben kniete und plapperte. Sie nannte das »Gesellschaft leisten«. Wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, bis Marco sie entnervt bitten würde, lieber Betty und mir in dem jetzt wieder breiteren Schatten vor dem Van Gesellschaft zu leisten, damit er sich wieder auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Was Jesus betraf, so ging Lucys Sprachfluss bei ihm logischerweise zu einem Ohr rein und zum anderen sogleich wieder raus und hatte wahrscheinlich keine negativen Auswirkungen auf

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