Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
dass die Jagdbeute ordentlich im Kellergewölbe unter dem Küchentrakt verstaut worden war, sah sie nach den verwundeten Kriegern. Sie benötigte dringend Ablenkung. Längst verfluchte sie den Tag, an dem sie die Fremden in ihre Burg eingelassen hatte. War das wirklich erst gestern gewesen? Ihr kam es vor, als müsste sie sich schon seit Wochen mit diesem finsteren Riesen herumärgern.
Gemeinsam mit Dalvinas Damen und einigen Mägden wechselte Valandra die Verbände und brachte den Männern Frühstück und Wasser zum Waschen. Es war erstaunlich, wie schnell sich die Krieger erholten. Bei den meisten schienen die wenigen Stunden Schlaf Wunder gewirkt zu haben. Einige von ihnen saßen in Gruppen zusammen und würfelten sogar schon wieder um die Wette. Andere schliffen ihre Schwerter oder polierten ihre Rüstungen.
Die Stunden verstrichen, und mit ihnen schwand auch Valandras Wut auf Kasim. Er hatte es nicht böse gemeint, da war sie sich sicher. Gleichzeitig wuchs jedoch ihr Groll auf Ranulf ins Unermessliche. Dieser Kerl kam in ihr Heim, erteilte ungefragt ihren Leuten Befehle und besaß dann auch noch die Frechheit zu glauben, sie sähe ihm seine üblen Launen nach. Niemals! Valandra stopfte die schmutzigen Verbände in einen großen Weidekorb und reichte ihn einem der Diener.
„Alles herhören!“
Valandra zuckte erschrocken zum Eingang herum und entdeckte Kasim, der breitbeinig im Türrahmen stand. Er besaß die ungeteilte Aufmerksamkeit der Krieger.
„Jeder, der sich dazu in der Lage fühlt, soll sich unverzüglich im Burghof einfinden. Lord de Bretaux teilt die Wachen ein!“
Valandra glaubte ihren Augen und Ohren nicht zu trauen, als die Krieger sich erhoben und ohne Murren die Halle verließen.
„Dieser Mistkerl“, zischte sie leise. Sie hatten ein Abkommen! Sie hatten sich darauf geeinigt, dass die Männer so lange von den Burgbewohnern fern gehalten werden würden, bis sie sicher sein konnte, dass das Fieber nicht ansteckend war. Wild entschlossen, ihm diesmal die Meinung zu stoßen, rauschte Valandra in den Hof hinaus.
Die Krieger hatten sich in einem Halbkreis vor ihrem Herrn aufgereiht, während die Burgbewohner sich im Hintergrund hielten und neugierig dem Geschehen folgten.
Selbst Valandra vergaß für einen Augenblick ihren Zorn und verharrte reglos auf dem obersten Treppenabsatz. Sie fühlte sich seltsam angezogen von dem blonden Riesen, der mit hinter dem Rücken verschränkten Händen vor seinen Männern stand. Seine langen, kräftigen Beine steckten in kniehohen Stiefeln und einer weichen, hellbraunen Rehlederhose, die sich um seine muskulösen Schenkel und festen Hinterbacken spannte. Dazu trug er ein weißes Leinenhemd, das seine breiten Schultern betonte, und einen breiten Schwertgurt um die schmalen Hüften. Gegen ihren Willen war Valandra fasziniert von seinem Anblick.
„Ein goldener Adonis“ hatte Detlef ihn genannt, doch Valandra konnte dem nicht zustimmen. ‚Adonis’ klang viel zu weich, zu harmlos. Ranulf de Bretaux aber war alles andere als das! Viel mehr erinnerte er sie an einen Berglöwen – faszinierend schön und gefährlich!
Seine dunkle, volltönende Stimme erfüllte den Hof bis in den hintersten Winkel, als er seinen Männern knappe, klare Anweisungen erteilte. Er sprach in ruhigem, beherrschtem Ton, und sein französischer Akzent sandte Valandra leise Schauer über den Rücken.
Himmel noch mal! Valandra, du benimmst dich wie ein einfältiges Kind, das noch nie einen Mann gesehen hat . Zugegeben, der Kerl sieht ganz passabel aus, doch das ändert nichts daran, dass er sich wie ein herrischer Tyrann benimmt. Es wird höchste Zeit, dass du ihm das endlich einmal sagst!
Die Ansprache war beendet, und die Krieger begaben sich auf die ihnen zugewiesenen Posten.
Valandra erkannte alarmiert, dass ein Stallbursche Ranulfs Hengst über den Platz führte. Der Kerl wollte ausreiten!
„O nein, diesmal entwischst du mir nicht!“, zischte sie leise und eilte rasch die wenigen Stufen hinunter. Entschlossen marschierte sie auf ihn zu.
Ranulf schwang sich gerade in den Sattel.
„Auf ein Wort, Mylord!“
Nur um sicherzugehen, dass er sie nicht wieder vor aller Augen stehen ließ, griff sie nach dem Zaumzeug des Hengstes und hielt es fest. Das mächtige Tier tänzelte nervös zur Seite.
„Es ist höchste Zeit für ein klärendes Gespräch!“
Ranulf sah erstaunt auf Valandra hinunter. Der Ärger in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Sie schien gewillt, Gift und
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