Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
urplötzlich vor Valandras Augen in ein unschuldiges, ängstliches Geschöpf. „Ich verstehe das nicht, mein Kind. Deine Schwester und ich sitzen hier gemütlich bei unserer Stickarbeit, und du überschüttest uns mit solchen Gemeinheiten! Was haben wir dir nur angetan, damit wir solchen Hass verdienen?“
Noch bevor Valandra verstand, was hier vorging, meldete sich eine gebieterische Stimme direkt hinter ihr.
„Das möchte ich auch gern wissen! Was geht hier vor?“
Valandras Magen krampfte sich schmerzlich zusammen. Großer Gott, bitte lass es Kasim sein, flehte sie innerlich, wohl wissend, wem dieser tiefe Bariton tatsächlich gehörte.
Ranulf stand so dicht hinter ihr, dass sie seine Körperwärme spürte, obwohl er sie nicht berührte. Sein Atem streifte ihre Nackenhärchen und sandte prickelnde Schauer durch ihren Körper.
Valandra wagte es nicht, sich zu ihm umzudrehen. „Mylord, diese Unterhaltung ist nicht für Eure Ohren bestimmt. Es handelt sich lediglich um eine Familienangelegenheit.“
„Glaubt ihr kein Wort“, kreischte Eleanora und hob eine zitternde Hand an ihre Stirn.
„Sie hat nur darauf gewartet, bis Ihr die Halle verlassen habt, um uns mit Gemeinheiten und Drohungen zu überschütten! Sie wollte uns in den Kerker werfen lassen, damit wir Euch nicht erzählen können, dass sie diesen Detlef wieder als ihre Zofe eingesetzt hat.“
„Das ist nicht wahr“, erklärte Valandra bemüht ruhig.
Ihr Blick glitt zu Dalvina, doch diese verbarg ihr boshaftes Lächeln, indem sie Bescheidenheit vortäuschte und den Kopf senkte.
Valandra schimpfte sich eine Närrin, als die Enttäuschung sie mitten ins Herz traf. Was hatte sie erwartet? Dass ein Wunder geschah und Dalvina sich plötzlich auf ihre Seite stellte? Wie lächerlich!
Ranulfs Augen ruhten nachdenklich auf Dalvina und Eleanora. Auch wenn er die vorangegangene Unterhaltung nicht mitbekommen hatte, war ihm Eleanoras letzter Satz nicht entgangen. Man hätte dich gleich nach der Geburt ertränken sollen!
Seine Magengrube zog sich vor Zorn zusammen. Seltsamerweise fühlte er sich bemüßigt, Valandra zu verteidigen. Niemand hatte das Recht, so mit ihr zu sprechen. Bevor er dem verführerischen Drang nachgeben konnte, seine Finger um Eleanoras boshaften Hals zu legen, drehte er Valandra zu sich herum, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte.
Sie wirkte kühl und distanziert, ganz so, als wappnete sie sich innerlich gegen weitere Beleidigungen.
Ranulfs Stimme klang ungewöhnlich sanft, als er ihren Blick suchte und erklärte: „Lady Valandra, Ihr kennt meine Anordnung, die diesen Jungen betrifft. Und Ihr wisst auch, dass niemand ungestraft meine Befehle missachtet.“ Valandra nickte.
„Deshalb frage ich Euch: War Detlef in Eurer Kammer?“
Valandra hob den Blick. „Ja, das war er.“
Ihr Mut rang ihm beinahe ein Lächeln ab. Das war typisch für sie. Nicht einmal mit einer Strafe vor Augen ließ ihr Stolz es zu, dass sie log.
„Aber er kam nicht zu mir, um mir zu dienen, sondern um bei mir Schutz zu suchen.“
„Schutz? Vor wem?“
Als Valandra beharrlich schwieg, verfinsterte sich Ranulfs Gesicht. „Ihr lasst mir keine andere Wahl!“
„Strafe muss sein“, pflichtete Eleanora ihm ernst bei.
Ranulf wandte sich an die Stiefmutter. „Solange Lord Lamont nicht auf Walkmoor Castle weilt, bin ich für den Frieden und die Sicherheit aller Burgbewohner verantwortlich. Ich gebe die Befehle, und ich erwarte, dass sie auch befolgt werden. Alles andere werte ich als persönliche Beleidigung, und ich bin kein Mann, der eine Beleidigung ungesühnt lässt.“
„Recht so!“, nickte Eleanora.
Ranulf fixierte Valandra mit unergründlichem Blick. „Ich pflege Gleiches mit Gleichem zu vergelten.“
„Dann werdet Ihr Val in den Kerker werfen?“, erkundigte sich Dalvina. Valandra hielt den Atem an und zwang sich, Ranulfs Blick standzuhalten. Offensichtlich gedachte er ihren Stolz erneut mit Füßen zu treten, aber sie würde mit keiner Wimper zucken. O nein, diesen Triumph wollte sie ihm nicht gönnen. Sie wappnete sich innerlich gegen die unheilvollen Worte, die Eleanoras Abend versüßen würden.
Unvermittelt entdeckte sie jedoch ein seltsames Aufflackern in Ranulfs Augen, das sogleich wieder verschwand. War es Enttäuschung gewesen?
„Nein“, verkündete Ranulf ruhig und wandte sich von ihr ab. „Lady Valandra wird in ihre Gemächer zurückkehren. Ihr hingegen, Lady Dalvina, habt die Wahl. Entweder werdet Ihr diese Nacht mit
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