Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
Vertrauen zu beweisen, indem sie ihm die Verantwortung überließ.
Sie schürzte die Lippen. Leider hatte sie die Rechnung ohne ihre überschäumende Fantasie gemacht. Je stiller es in der Burg geworden war, desto bedrohlicher waren auch die Bilder gewesen, die ihr durch den Kopf geschwirrt waren. Sie wusste, dass McGregor ein hinterhältiges Wiesel war – wusste, dass er Ranulf verabscheute und ihm Übles wollte. Was, wenn er ihn hinterrücks anfiele? Wenn er ihm einen Meuchelmörder schickte oder aus der Dunkelheit der vielen Nischen mit einem Dolch nach ihm würfe? Diese Gedanken hatten sich in ihrem Kopf festgesetzt und ihre Angst geschürt, bis sie es keine Sekunde länger in ihrem Gemach ausgehalten hatte.
Nicht, dass Ranulf ihre Rücksichtnahme verdiente, rief sie sich mürrisch ins Gedächtnis und warf ihm erneut einen vernichtenden Blick zu. Aber da sie nun mal dumm genug war, sich in einen so starrsinnigen Kerl wie ihn zu verlieben, blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als ihn vor seiner eigenen Torheit zu beschützen. Vier Augen sahen schließlich mehr als zwei.
Ranulfs Gedanken kreisten noch immer um die rätselhaften Gesprächsfetzen, die er aufgeschnappt hatte. Was hatte es nur mit diesem Geschenk auf sich, und wer sollte es erhalten? Er hatte Lady Eleanoras Kammer durchsucht, war jedoch auf nichts Auffälliges gestoßen. Vielleicht lag er mit seiner Vermutung auch gänzlich falsch, und McGregors Plan rankte sich tatsächlich nicht um Eleanoras Entführung. Verdammt, sein ansonsten so scharfer Verstand fühlte sich wie eine klebrige, unnütze Masse an. Sonderbarerweise bereiteten ihm seine eigenen Gedankengänge Mühe. Und was war das eigentlich für ein süsslicher Geschmack in seinem Mund?
Er trank noch einen Schluck Wasser aus dem Kelch, um sowohl den Geschmack als auch die Müdigkeit loszuwerden, doch die bleierne Schwere verstärkte sich nur noch mehr. Er schwankte. Vielleicht war es besser, wenn er sich für einige Augenblicke hinsetzte.
„Ranulf?“
Ranulf torkelte erneut und rieb sich die Augen. Er hörte, dass Valandra ihn etwas fragte, dass ihre Stimme vor Schreck schrill war, doch ihre Worte klangen seltsam verzerrt und unwirklich. Er konnte sie in all dem Nebel kaum erkennen. Urplötzlich dämmerte ihm ein schrecklicher Gedanke. Mit einem letzten Aufbegehren seines Verstandes erkannte er, was sein Instinkt schon längst wusste.
Der süssliche Geschmack, das laute Schnarchen aus der Halle... Laudanum! Dies war McGregors Geschenk! Er hatte sie alle betäubt!
Mit beinahe übermenschlicher Kraft schleppte er sich zu Valandra. Seine Beine fühlten sich bei jedem Schritt beängstigend taub an und drohten jeden
Augenblick unter ihm nachzugeben. Er versuchte zu sprechen, doch auch seine Zunge wollte ihm nicht mehr gehorchen. Er musste Valandra warnen! Sie musste sich verstecken, bevor es zu spät war.
„Flieh, Valandra“, keuchte er.
„Großer Gott, Ranulf, was ist mit dir?“, rief sie außer sich vor Angst. Voller Entsetzen musste sie mit ansehen, wie Ranulf einem gefällten Baum gleich auf die Knie fiel. Sie versuchte ihn zu stützen, versuchte, ihn auf den Schemel zu zerren, doch er war zu schwer.
„Flieh, Valandra!“, keuchte er erneut und sah sie aus glasigen Augen an. Sein Gesicht wirkte so wächsern wie das eines Toten und schürte Valandras Angst zu heller Panik.
„Nein, ich werde dich nicht allein lassen!“, rief sie schrill vor Furcht. „Sag mir, was dir fehlt!“
Sie untersuchte seinen Rücken nach Stichwunden, suchte nach Anzeichen einer Verletzung, doch sie konnte nichts finden. Tränen der Angst stiegen ihr in die Augen. „Um Himmels willen, Ranulf, sprich mit mir!“
Ranulf konnte es nicht fassen. Weshalb brachte sie sich nicht endlich in Sicherheit? Weshalb verstand sie ihn denn nicht? Sie klammerte sich weinend an ihn, obwohl sie sich verstecken sollte. Er konnte sie nicht mehr beschützen. Unter Aufbietung seiner letzten Kräfte stieß er Valandra von sich. „Flieh endlich! Er will nicht Eleanora... er kommt, um dich zu holen!“
Valandra glaubte ihm kein Wort. Er wollte gewiss nur, dass sie sich in Sicherheit brachte. Aber sie würde ihn niemals allein und schutzlos hier zurücklassen.
„Wir werden gemeinsam fliehen“, beschied sie streng und versuchte, ihm auf die Beine zu helfen. Sie zerrte und schob, doch es hatte keinen Sinn, sie war zu schwach, um einen Mann seiner Größe zu bewegen.
„Wie herzergreifend“, höhnte McGregor plötzlich von
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