Im Zwiespalt der Gefuehle
Schließlich war damals Daire bei ihr gewesen, um sich um sie zu kümmern. Immer war er dagewesen — bis jetzt. Jetzt war dieser Engländer in ihr Leben getreten und hatte sie unglücklich gemacht. An allem, was sie tat, hatte er etwas auszusetzen. Wenn sie sein Leben rettete, indem sie ihm Rückendeckung gab, dann sagte er ihr, sie hätte in den Wald rennen sollen.
Sie fühlte sich unerwünscht und lästig.
Sie stieg aus dem Wasser und zog die Vatellsachen wieder an.
»Da bist du also«, hörte sie Rowan sagen. Sie blickte nicht auf.
»Ich habe mit ihr geredet«, sagte er düster. »Du hattest recht. Brita will zwar auch ein Bündnis zwischen den Vatell und den Irial — aber nicht so, wie ich es geplant habe. Sie will mich heiraten. Sie möchte, daß ich dich verstoße und sie heirate. Erst wenn ich das tue, wird sie den Vatell erlauben, sich mit den Irial zu vermählen. « Er runzelte die Stirn. »Du hättest dich nicht so weit von der Hütte entfernen sollen. In diesen Wäldern lauern tausend Gefahren. «
»Und die Hütte ist sicher davor? « fragte sie. »Ihr hattet ebenfalls recht. Ich gehöre nicht in das Gebiet der Vatell. Ich hätte nicht herkommen sollen. Ich werde es verlassen, sobald ich etwas gegessen habe. « Sie wollte zur Hütte zurückgehen, aber Rowan packte sie am Arm.
»Du kannst nicht allein durch dieses Land reiten. Jeder Mann, der dich sieht, wird dich angreifen. «
»Warum? « schrie sie ihm ins Gesicht. »Warum sollte ein Mann mich angreifen? Es ist doch allgemein bekannt, daß ich nicht begehrt werde! « Sie riß sich los. »Geht zurück zu ihr. Sagt ihr, daß Ihr sie heiraten wollt. Ich werde Euch freigeben! Die Irial werden froh sein, daß die Stämme durch eine Königsheirat vereint werden. Ihr habt doch gesagt, daß die Stämme nur durch Heirat vereint werden können! Ihr könnt ja mit gutem Beispiel vorangehen. «
Seine Stimme klang eisig. »Und du wirst Daire haben«, sagte Rowan rauh. »Er ist der Mann, den du dir gewünscht hast. «
»Jawohl, Daire«, erwiderte Jura. Der vertraute Name und die Liebe, die damit verbunden war, ließen ihr Tränen in die Augen steigen. Sie wandte ihren Kopf ab. »Geht zu ihr. Sagt ihr, daß sie bekommt, was sie will. Sie wird ihren blonden König kriegen. Dann könnt Ihr anfangen, die Stämme zu vereinigen. «
»Du weinst seinetwegen«, flüsterte Rowan. »Du vergießt Tränen um Daire. «
»Warum nicht? « schrie sie. »Ich habe ihn immer geliebt. Ihr redet immer nur von Schwüren und Bitten. Ihr könnt nicht verstehen, was eine Gardistin aufgrund ihrer Ausbildung tun muß! Niemals werde ich Euch lieben können! Geht zu Brita. Vielleicht kann sie einen Mann aus Euch machen! «
Rowans Gesichtsmuskeln spannten sich an. »Vielleicht ist sie dazu fähig. Ja, du hast recht — diese Heirat wäre ein Segen für Lankonien. Ich hätte daran denken sollen, ehe ich das Honorium einberief, in der Hoffnung, daß —« Er hielt inne und sah sie an. »Ich habe mich bis jetzt von meinem Herzen leiten lassen. Aber das werde ich nicht länger zulassen. Der König der Irial und die Königin der Vatell werden heiraten. « Seine Augen wurden schmal. »Ich frage mich, ob der Kronprinz der Vatell nicht besser die Prinzessin eines anderen Stammes heiraten sollte. Es würde ihm nützlicher sein, als die adoptierte Tochter eines verstorbenen Königs in sein Bett zu ziehen. «
Er gebot ihr nicht Einhalt, als sie ihn ins Gesicht schlug. Sie hatte Kraft, und der Schlag hallte im Wald wider. Aber Rowan bewegte noch nicht einmal den Kopf. Einen Augenblick lang starrten sie sich an.
»Wir werden morgen aufbrechen«, sagte er. »Brita wird junge Männer und Frauen der Vatell zusammenrufen, und wir werden die Irial zur Grenze bringen. Dort werden die Trauungen vollzogen. «
»Und ich werde Daire nehmen. Gleich, ob ich noch verheiratet bin oder nicht. Ich will nicht länger Jungfrau bleiben«, rief Jura.
Er starrte sie an. Auf seiner linken Gesichtshälfte zeichnete sich der Abdruck ihrer Hand ab. Dann drehte er sich um und ging in Richtung Hütte. »Wage es nicht, allein loszureiten«, rief er ihr über die Schulter zu. »Ich werde dir gnadenlos nachjagen. « Er verschwand.
Rowan ging nicht weit. Als er außer Sichtweite war, lehnte er sich gegen einen Stamm und rieb seine schmerzende Wange. Ihm war zum Heulen zumute.
Praktisch seit dem Tag seiner Geburt hatte er gewußt, daß er zum König bestimmt war. Er hatte alles willig diesem Machtanspruch geopfert. Nur eins
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