Im Zwiespalt der Gefuehle
ihr zu verbieten.
Seine Augen blitzten ärgerlich auf. Er wußte, daß Jura sich so verhielt, weil sie die Nacht nicht in seinem Bett verbringen wollte. Er reckte sich und verließ mit Lora das Zimmer.
Cilean ging zu Jura. »Zwischen euch beiden hat sich nichts geändert, nicht wahr? Ich hatte gehofft… «
»Es hat keinen Zweck zu hoffen. Er ist Engländer und wird niemals unsere Sitten verstehen. «
»Hmmm«, erwiderte Cilean. »Ehe er ging, wollte er keine Frau bei sich haben. Aber jetzt möchte er, daß zwei Frauen den Männern Rückendeckung geben. Es sieht so aus, als ob er ein paar unserer Bräuche akzeptiert. «
Jura stand vorsichtig auf, um Philip nicht zu wecken. »Weißt du, wo das Kind und ich schlafen können? Morgen werden sich die Irial mit Brita treffen. Dafür müssen wir alle ausgeruht sein. «
Cilean nickte und führte ihre Freundin zu einem anderen Haus. Dort wartete ein Bett auf sie.
Am Morgen erwachte Jura, weil Rowan sie unsanft schüttelte. »Ich reite jetzt los, um Brita und die Vatell zu holen. Du bist meine Frau, also mußt du den Hochzeitsfeierlichkeiten beiwohnen. «
»Und zusehen, wie sie in ihr Unglück rennen«, murrte Jura. Sie hielt den Jungen fest im Arm, als Philip sich schlaftrunken räkelte.
Rowan ließ sie allein, damit sie sich ankleiden konnte. Lora kam, um Philip zu holen, und sagte dabei kein einziges Wort.
Gleich, als Jura das Haus verließ, spürte sie die Spannung, die in der Luft lag. Niemand war zu sehen. Über der ganzen Siedlung lag etwas seltsam Verlassenes, so als ob Gott beschlossen hätte, alle Einwohner zu sich zu rufen Jura nahm sich ein Stück Brot und ging zum Fluß.
Dort bot sich ihr ein furchterregender Anblick. Alle Irial hatten sich frisch gewaschen und sauber gekleidet in einer Reihe am Flußufer aufgestellt. Während sie die Ankunft der Vatell beobachteten, herrschte Totenstille. Kein Kindergeschrei und kein Hundebellen ertönte.
Die Vatell ritten ihnen entgegen — manchmal zu zweit auf einem Pferd — oder sie kamen in Karren und Wagen. Jura hatte gesehen, wie sie seit einer Woche Tränen vergossen hatten, weil sie sich mit den Irial vermählen sollten. Aber jetzt konnte man keine tränenüberströmten Gesichter entdecken. Auch die Vatell waren frisch gewaschen. Ihre Kleider waren noch feucht und ihre Haare klebten naß am Kopf. Sie saßen aufrecht auf ihren Pferden und in ihren Wagen. Aufmerksam beobachteten sie die Leute auf der anderen Seite des Flusses.
Jura stellte sich hinter die Irial.
»Schau dir mal den im dritten Leiterwagen an«, flüsterte eine Frau, die in Juras Nähe stand. »Wenn ich wählen dürfte, dann würde ich ihn nehmen. «
»Nein«, entgegnete eine jüngere Frau leise. »Ich möchte den haben, der da auf dem Rappen sitzt. Sieh doch mal seine Schenkel an! In diesem Körper steckt Kraft. «
Lächelnd schritt Jura die Reihe entlang. Alle fingen an zu reden, und das einzige Gesprächsthema war, wer sich mit wem zusammentun wollte.
Heute schien es ungewöhnlich heiß zu werden, denn auf Juras Hals bildeten sich jetzt schon kleine Schweißtröpfchen. Aus irgendeinem Grund erinnerte sie sich auf einmal lebhaft an ihr erstes Treffen mit Rowan. Damals hatte sie nur ihre Tunika getragen und er nur einen Lendenschurz. Sie hatte auf seiner Brust gehockt, und seine Hände hatten ihre Beine und Brüste liebkost. Sein Mund hatte —
»Jura! «
Benommen schreckte sie auf und sah Cilean an.
»Du warst in Gedanken«, stellte Cilean leise fest. »Wen würdest du denn auswählen? «
Jura sah die Leute an, die gerade den Fluß überquerten.
Rowan ritt an Britas Seite. Noch vor einigen Wochen hatte Jura sein blondes Haar und seine helle Haut gehaßt, aber jetzt erschien er ihr wie ein Stern in dunkler Nacht. Er hatte nicht nur eine andere Hautfarbe, sondern war auch kräftiger gebaut als die Lankonier. Sie hatte ihn einmal für fett und ungeschlacht gehalten. Aber jetzt wußte sie, daß er kein Gramm Fett an sich hatte, sondern nur Muskeln, die durch jahrelanges Training gestählt waren. Sie wußte auch, wie sich seine Haut anfühlte…
Cileans lautes Lachen ließ Jura zusammenfahren.
»Er mag dir ja nicht gefallen, aber im Bett bereitet er dir wohl großes Vergnügen, was? « bemerkte Cilean weise.
Jura wandte sich ab. »Er ist ein ungeschickter Ochse«, erwiderte sie. »Ist die Mahlzeit für alle vorbereitet? Wir haben einen langen Fußweg hinter uns, und die Vatell sind sicher erschöpft und hungrig. «
»Ja«, erwiderte
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