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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Pies Gesicht. Doch er zwinkerte nicht, als er Gentle auch weiterhin ansah. »Welches Leid auch immer ich dir zugefügt haben mag, jetzt oder irgendwann in der Vergangenheit - ich entschuldige mich dafür. Ich möchte dir nicht weh tun. Bitte glaub mir. Es liegt mir fern, dich mit Schmerzen irgendeiner Art zu konfrontieren.«
    »Ich weiß«, sagte Zacharias leise. »Und auch ich möchte mich entschuldigen.«
    »Sollen wir vereinbaren, unsere Auseinandersetzung zu verschieben, bis unsere einzigen Gegner in Imagica Gentle und Pie'oh'pah heißen?«
    »Das mag ziemlich lange dauern.«
    »Um so besser.«
    424

    Gentle lachte. »Einverstanden«, erwiderte er, beugte sich vor und griff nach der Hand des Mystifs. »Unsere Augen haben erstaunliche Dinge gesehen, nicht wahr?«
    »Und ob.«
    »In Mai-Ke hätte ich fast vergessen, wie wundervoll dies alles ist.«
    »Es warten noch viel mehr Wunder auf uns.«
    »Versprichst du mir etwas?«
    »Was denn?«
    »Iß nie wieder rohen Fisch, während ich in der Nähe bin. Ein solcher Anblick - und der Geruch! - ist mehr, als ein Mann ertragen kann.«
    2
    Hairstone Banty hatte L'Himby so sehnsuchtsvoll beschrieben, daß Gentle eine Art Katmandu erwartete: Tempel, Pilger und kostenloses Rauschgift. Vielleicht war die Stadt tatsächlich einmal so gewesen, in Bantys seit vielen Jahren verlorener Jugend. Zacharias und Pie'oh'pah verließen den Zug wenige Minuten nach Einbruch der Nacht - und spürten sofort eine Atmosphäre, die keineswegs von Meditation und seelischem Frieden bestimmt wurde. Soldaten standen an den Toren und Schranken. Die meisten von ihnen gaben sich lässig, rauchten und sprachen miteinander, aber einige beobachteten die Reisenden. Doch diesmal blieb das Glück auf der Seite von Gentle und Pie: Seit einigen Minuten hielt ein anderer Zug am gegenüberliegenden Bahnsteig, und deshalb wimmelte es geradezu von Passagieren. Mensch und Mystif bahnten sich vorsichtig einen Weg durch den dichtesten Bereich der Menge und passierten unbemerkt das Drehkreuz am Durchgang.
    In den breiten, von Lampen und Laternen erhellten Straßen begegneten sie weiteren Soldaten. Trotz ihres legeren, entspannten Gebarens wirkte diese Präsenz beunruhigend. Die Angehörigen der Mannschaftsdienstgrade trugen schlichtes 425

    Grau, während die Offiziere in ein dem subtropischen Abend angemessenes Weiß gekleidet waren. Gentle wagte es nicht, den Uniformierten und ihrer Ausrüstung mehr als nur beiläufige Blicke zuzuwerfen - er wollte es vermeiden, ihre Aufmerksamkeit zu wecken -, doch schon nach kurzer Zeit regte sich Unbehagen in ihm: Waffen und militärische Fahrzeuge erinnerten ihn zu sehr an Beatrix. Die Kriegsherren von Yzordderrex waren ganz offensichtlich Meister in der Kunst des Todes - ihre Technik schien gleich mehrere Generationen moderner zu sein als die der Lokomotive.
    Gentles Faszination galt jedoch nicht in erster Linie den Panzern und Maschinengewehren, sondern einer bei den Soldaten präsenten Subspezies, die er jetzt zum erstenmal sah.
    Pie bezeichnete sie als Oethacs. Sie waren nicht größer als ihre Kameraden, doch der Kopf nahm ein Drittel der Gestalt in Anspruch. Die Körper erwiesen sich als sonderbar breit und gedrungen, vielleicht aufgrund der schweren Knochenlast auf den Schultern. Leicht zu treffende Ziele, meinte Gentle. Pie flüsterte, die Gehirne der Oethacs seien klein und ihre Schädel dick; außerdem ständen sie in dem Ruf, Schmerzen ertragen zu können, die andere Leute um den Verstand gebracht hätten.
    Davon kündeten zahlreiche Narben und Verformungen in einer Haut so weiß wie die Knochen darunter.
    Die vielen Soldaten schienen nicht erst seit gestern in der Stadt zu weilen, denn ganz offensichtlich hatten sich die Bürger von L'Himby bereits an sie gewöhnt, nahmen das Militär als etwas Selbstverständliches hin. Es gab kaum Anzeichen für Verbrüderung, aber ebensowenig deutete auf Konflikte zwischen den Truppen und der Bevölkerung hin.
    »Wohin gehen wir jetzt?« wandte sich Gentle an Pie, als sie das Gedränge im Bereich des Bahnhofs verließen.
    »Scopique wohnt im Nordosten der Stadt, unweit der Tempel. Er ist Doktor und genießt großen Respekt.«
    »Glaubst du, daß er noch immer praktiziert?«
    426

    »Er heilt keine physischen Wunden, Gentle. Er ist Doktor der Theologie. Einst gefiel ihm diese Stadt - er fand sie ruhig und friedlich.«
    »Inzwischen hat sich hier einiges verändert.«
    »In der Tat. L'Himby scheint reicher geworden zu sein.«
    Der

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