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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Schluck.
    »Also los«, sagte er, und daraufhin liefen sie in die Nebelwand hinein. Schon bald veränderte sich die Umgebung: Pflastersteine wichen Sand, und Licht verdrängte die Dunkelheit.
    Einmal sahen sie die Frauen kurz als graue Silhouetten vor dem Hintergrund eines Himmels, der wie Pfauenfedern glänzte, doch dann verloren sie Judith und Hoi-Polloi wieder aus den Augen. Der Glanz des Tages wurde heller, und gleichzeitig schwoll das Stimmengewirr einer aufgeregten Menge an, als Gentle und Montag den Transferbereich verließen. Überall wimmelte es von Verkäufern und ihren Kunden sowie von Dieben; die Frauen verschwanden in dieser Menge. Gentle und Montag folgten ihnen mit neuer Entschlossenheit, doch die vielen Leute wurden zu einer lebenden Barriere. Nach einer halben Stunde kehrten der 1313

    Maestro und der Junge enttäuscht zu dem Nebel und dem kommerziellen Chaos davor zurück - sie hatten die Spur von Judith und Hoi-Polloi verloren.
    Gentle war jetzt gereizt, und Kopfschmerzen lösten den Rausch ab.
    »Sie sind weg«, sagte er. »Es hat keinen Sinn mehr, die Suche fortzusetzen.«
    »Mist.«
    »Frauen kommen und gehen. Man darf sich nicht zu sehr an eine allein gewöhnen.«
    »Diesen Rat kann ich kaum mehr beherzigen«, erwiderte Montag. »Ich habe mich bereits an eine gewöhnt.«
    Gentle spähte in den Nebel vor sich und schürzte die Lippen.
    Auf der anderen Seite erwartete sie ein kalter Oktobertag.
    »Ich habe eine Idee«, verkündete er. »Wie wär's, wenn wir nach Vanaeph gingen und Tick Raw besuchten? Vielleicht kann er uns helfen.«
    Montag strahlte. »Du bist ein Held, Boß. Zeig mir den Weg,«
    Gentle balancierte auf den Zehenspitzen.
    »Das Problem ist: Ich habe keine blasse Ahnung, in welche Richtung wir uns wenden müssen, um Vanaeph zu erreichen.«
    Er schnappte sich den nächsten Passanten und fragte ihn nach dem Berg Lipper Bayak. Der Mann deutete über die Köpfe der Menge hinweg, und die beiden Besucher begannen damit, sich am Rand des Marktes durchs allgemeine Gewühl zu schieben. Nach einer Weile sahen sie nicht etwa Vanaeph, sondern die Mauern einer Stadt, die sich zwischen ihnen und Lipper Bayak erhob. Montag strahlte erneut, und diesmal wurde sein Lächeln ein Grinsen. Fast ehrfürchtig formulierte er einen Namen, den er für eine magische Beschwörungsformel zu halten schien.
    »Patashoqua?«
    »Ja.«
    131
    4

    »Wir haben die Stadt zusammen gemalt, erinnerst du dich?«
    »Ja.«
    »Wie sieht sie hinter den Wällen aus?«
    Gentle betrachtete die Flasche in seiner Hand und fragte sich, ob das seltsame Hochgefühl in ihm zusammen mit den Kopfschmerzen verschwinden würde.
    »Boß?«
    »Was ist?«
    »Ich habe gefragt: Wie sieht Patashoqua hinter den Wällen aus?«
    »Ich weiß es nicht. Weil ich nie in der Stadt gewesen bin.«
    »Wird's dann nicht Zeit, einen Eindruck von ihr zu gewinnen?«
    Gentle reichte Montag die Flasche, seufzte und schmunzelte schließlich.
    »Ja, mein Freund«, bestätigte er. »Ich glaube, du hast recht.«
    2
    Auf diese Weise begann die letzte durch Imagica führende Pilgerreise des Maestros Sartori, genannt John Furie Zacharias, oder Gentle, oder Rekonziliant der Domänen.
    Eigentlich war gar keine Pilgerreise beabsichtigt gewesen, aber da er Montag versprochen hatte, ihm dabei zu helfen, die Frau seiner Träume zu finden... Er brachte es einfach nicht über sich, den Jungen zu enttäuschen. Zuerst suchten sie in Patashoqua; dort gingen die Geschäfte besser als jemals zuvor, denn die Nähe zur jetzt nicht mehr getrennten Fünften schuf ganz neue Märkte. Fast ein Jahr lang hatte sich Gentle immer wieder gefragt, wie die Stadt sein mochte, und deshalb konnte sie nicht ganz seinen Erwartungen gerecht werden, aber allein Montags Begeisterung stellte eine Sehenswürdigkeit dar - und verursachte wehmütige Erinnerungen an sein eigenes Staunen, als er die Vierte zum erstenmal besucht hatte, zusammen mit Pie.
    1315

    Als sie keine Hinweise auf die beiden Frauen entdeckten, begaben sie sich nach Vanaeph, um dort mit Tick Raw zu sprechen. Er sei unterwegs, erfuhren sie, und ein aufmerksamer Beobachter fügte hinzu, er hätte zwei Frauen gesehen, die den Beschreibungen von Judith und Hoi-Polloi entsprachen. Neben der breiten Straße seien sie gewandert, in der Hoffnung, daß jemand anhielte und sie mitnehme. Eine Stunde später saßen Gentle und Montag als Anhalter in einem Wagen, und mit jeder verstreichenden Sekunde wuchs die Entfernung zum Nebel, der den Übergang

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