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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Kunststoffvisier verstehen konnte. »Sie befinden sich ab sofort unter Quarantäne!«

 
19
     
     
    Die Sterne vibrierten mit dem dumpfen, betäubenden Wummern von Helikopterrotoren. Mein gesamter Körper erzitterte unter ihrem Lärm. Er hämmerte von allen Seiten auf mich ein, durchschnitt mich, als sei ich nur ein Dunstgebilde, das vor den heranstürmenden Flugmaschinen floh. Immer lauter schwoll das Donnern kreiselnder Rotoren an, bis ich das Gefühl hatte, sie würden sich mitten hinein in mein Innerstes fräsen. Ich fühlte mich selbst wie eine riesige Maschine in einem starren Metallgerüst.
    Dann verklang das Wummern, entschwand über der endlosen Eisebene, die sich unter mir erstreckte, verlor sich zwischen den schroffen Gipfeln und scharfen Felsgraten, die vereinzelt aus ihr herausragten. Am Ende umgaben mich wieder die Stille und das leise Heulen des Windes, der um meinen Körper strich. Ich glitt über die eiszeitliche Landschaft hin wie ein fleischgewordener Zeppelin, den Blick wie eh und je in die Ferne gerichtet. Sternklare Nacht hing über dem endlosen, fast vollständig unter Schnee und Eis begrabenen Gebirge. Kein Silberschweif schimmerte am Horizont, der Himmel war ein pechschwarzes, von kalt glitzernden Augen erfülltes Firmament.
    Bald glaubte ich, unerreichbar weit vor mir ein Glühen wahrzunehmen, fast so, als sei die hinter dem Horizont verborgene Sonne nicht mehr als ein blaugrüner Zwergstern. Vor dem Glühen wuchs langsam die Silhouette eines Berggipfels empor, wurde größer und mächtiger, bis sie das Licht beinahe vollkommen wieder verdeckte.
    Dann erlosch das unwirkliche Glühen. Mein Flug stieg sanft an, führte mich bald über den Gipfel des Berges. Die Eiswüste verschwand aus meinem Blickfeld, und Myriaden von Sternen schienen mich zu umgeben. Ich hatte den Eindruck, die Welt unter mir zurückgelassen zu haben und einsam durchs All zu schweben. Obwohl die Konstellation der Sterne verzerrt war, glaubte ich, einzelne Gestirne wiederzuerkennen: Aldebaran, Bellatrix und den schimmernden Canopus im Kiel des Schiffes Argo. Und unerreichbar weit entfernt funkelte das Sternbild des Schwans …
    Irgendwann neigte ich mich wieder zu der Eiswelt hinab. Die Sterne verschwanden, und von einem Moment zum anderen gähnte unter mir ein riesiger Krater. Das Licht der Gestirne brach sich auf seinem Grund, als führe er ein gespenstisches Eigenleben. Es waren Wellen, die vom Wind getrieben über nachtschwarzes Wasser rollten. Ich begann, langsam über dem Krater zu kreisen. Aus der Ferne vernahm ich ein Rauschen wie von einem in der Dunkelheit verborgenen Wasserfall. Darunter mischte sich noch ein weiterer Ton. Es war das Heulen von Wind, der über den See herüberwehte. Dann explodierte in der Mitte des Kraters plötzlich ein unirdisches, blaugrünes Licht. Es besaß seinen Ursprung tief unter der Oberfläche des Sees, und in seinem Strahlen konnte ich den immensen Wasserstrudel erkennen, der sein Zentrum aufwühlte.
    Immer schneller glitt ich nun über das Wasser dahin, immer enger und steiler wurden die Spiralen, bis ich letztlich über dem Strudel kreiste und in seinen sich windenden Abgrund blicken konnte. In der Tiefe des Sees erkannte ich eine amorphe, glühende, rotierende Masse und spürte den unbarmherzigen Sog, der die Luft in den Strudel riss – dann kippte ich vornüber und schoss in den glühenden Mahlstrom hinab …
     
    Ich hob den Kopf, starrte mit aufgerissenen Augen in den Raum. Das Glühen formte sich zu Wänden und sich bewegenden Umrissen, wurde schließlich zu menschlichen Körpern. Stimmen drangen aus dem dahinschwindenden Licht. Ich starrte, ohne zu blinzeln, bis das Leuchten sich zum Schein mehrerer im Raum verteilter Kerzen reduziert hatte.
    Stomford saß auf der anderen Seite der Küche auf einem Sessel der Fernsehecke und hantierte leise fluchend an einem Rollheizkörper. DeFries hockte – dick in Wolljacke und Anorak verpackt – selbstversunken am Küchentisch. Rijnhard lehnte neben dem Eingangskorridor an der Wand und beobachtete mich. Die Tür zum Korridor war von Mertens’ Leuten verschlossen worden. Vor dem Haupteingang stand mit großer Wahrscheinlichkeit eine bewaffnete Wache.
    Ich selbst saß, mit dem Rücken gegen ein Bücherregal gelehnt, neben dem Küchentisch auf dem Fußboden. Noch immer benommen von der Traumvision, wich ich Rijnhards sezierendem Blick aus, schloss erneut die Augen und rief mir die Realität in Erinnerung.
    Mertens Leute hatten, nachdem

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