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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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sie uns von Kopf bis Fuß durchsucht und uns alles außer unserer Kleidung abgenommen hatten, in der Küche eingesperrt. Dann waren sie über die Station hergefallen wie die Raubameisen. Sie hatten die Computerräume, die Labors, den Funkraum und die Schlafcontainer durchwühlt und alles mitgenommen, was sie in die Finger bekamen: Rechner, Disketten, CDs, Dokumente, Ordner, Filmmaterial, Analysen, Festplatten, persönliche Unterlagen, einfach alles. Sie hatten die Intercom-Anlagen und das Funkgerät unbrauchbar gemacht und die Antennen abgebaut. Anschließend hatten sie die Labors und Arbeitsräume verschlossen und versiegelt. Uns blieben allein die Küche, der Badezimmercontainer und die Schlafräume, in die sich DeFries’ einheimische Mitarbeiter zurückgezogen hatten. Talalinquas Gefolge hingegen hatte man in Notunterkunft A zusammengepfercht.
    Unseren Hunger stillten wir mit dem wenigen, das keiner aufwändigen Zubereitung bedurfte: Brot, Dosenwurst, Dosenfisch, eingemachtes Gemüse und Salzgebäck. Vor Stunden hatte uns ein beißender Gestank jeglichen Appetit verdorben. Mertens’ Leute hatten eine Grube ausgehoben, die toten Schlittenhunde hineingeworfen, Dieseltreibstoff darüber gegossen und den Kadaverhaufen angezündet. Der Gestank war in die Küche eingedrungen und hielt sich selbst jetzt noch hartnäckig in der Station.
    Wir hatten beobachtet, wie der gewaltige Metallkessel auf massive Standbeine gestellt und damit begonnen worden war, aufblasbare Kunststoffkuppeln und einen Überdruckkorridor aus dem gleichen Material an ihn anzugliedern. Auf sämtlichen externen Bauwerken prangten rote, dreiblättrige Blüten mit scharfen Spitzen; Biohazard- Symbole, die unverkennbar verdeutlichten, was die Stunde geschlagen hatte.
    Dann hatten Mertens’ Leute sämtliche Fenster von außen mit schwarzer Kunststoffplane verklebt. Seitdem wusste niemand von uns genau, was außerhalb der Station vor sich ging. Da es noch immer keinen Strom gab, hatten wir uns mit Kerzen gegen die Dunkelheit beholfen. Mehrere Helikopter waren gelandet und wieder davongeflogen. Wir hatten das Auf- und Abrangieren der Schneeraupe gehört, und hin und wieder hatten dumpfe Schläge die Station erschüttert. Vermutlich waren einzelne Container aus dem Infra-Block und womöglich sogar aus dem Wohnblock ausgegliedert worden. Vor mehr als zwei Stunden hatten Mertens’ Leute schließlich Hagen, Maqi, Paamit und Mylius abgeholt. Als Nächstes waren zweifellos wir an der Reihe.
    Ich sah in die Runde. Während Rijnhard ausdruckslos zu mir herübersah, hatte Stomford noch nicht bemerkt, dass ich wieder wach war. Mit wütenden Schlägen gegen das Thermostat traktierte er den Radiator. DeFries hingegen ging es nicht besonders gut, und ich machte mir ernsthafte Sorgen, ob er in seiner Verfassung ein stundenlanges Verhör durchstehen würde. Noch saß er schweigsam und in sich gekehrt am Esstisch und stierte mit glasigen Augen auf die Tischdecke. Noch – denn Mertens’ Leute hatten ihm seine Tabletten abgenommen. Entweder peinigte DeFries nun zusehends der Entzug, oder die Schmerzen, die er litt, waren physischer Natur. Seit Stunden hatte er keinen Ton mehr von sich gegeben. Ich sah jedoch an seinem Gesicht, dass er am liebsten laut geschrien hätte. Seine Selbstbeherrschung und ein letzter Rest an Würde schienen es zu verhindern. DeFries war beängstigend blass, wirkte geradezu blutleer. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen, und seine Hände zitterten, sobald er sich mit hektischen, ruckartigen Bewegungen durchs Haar fuhr. Dies tat er immer öfter, und es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis er die Kontrolle über sich verlieren würde.
    Rijnhard hingegen verkörperte stoische Ruhe. Ob sie antrainiert oder lediglich das Resultat tiefer Resignation war, blieb fraglich. Die Situation, in der wir uns befanden, schien ihn nicht sonderlich zu kratzen. Meine Anwesenheit hingegen schon. Zumindest das konnte Rijnhard nicht vollständig verbergen. Er taxierte mich mit Blicken wie ein Dobermann, der mir beim leisesten Fehlverhalten an die Kehle springen würde. Rijnhard hatte nicht damit gespart, mir seine Meinung über das, was ich seiner Ansicht nach war, während der letzten Stunden unserer Gefangenschaft kundzutun. In Stomford hatte er dabei einen aufmerksamen Zuhörer gefunden. Ich hatte versucht, seine Ansichten und Vorwürde mit Vernunft und Logik zu widerlegen oder ihn einfach ignoriert. Eigentlich ein Wunder, dass die beiden nicht über mich

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