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Imagon

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Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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dem Cockpit und stieg aus.
    »Solange Sie auf zwei Beinen stehen, haben Sie von den Hunden nichts zu befürchten«, rief mir der Pilot hinterher. »Sie halten Sie erst für Futter, wenn Sie am Boden liegen.«
    »Wie beruhigend.« Geduckt blieb ich unter dem Orkan der Rotorblätter stehen. »Wann darf ich mit meiner Ausrüstung rechnen?«, schrie ich gegen den Lärm an.
    »Wenn Sie morgen früh aufwachen, wird Ihr Container schon auf Sie warten. Angenehmen Aufenthalt und viel Erfolg, Mr. Silis. Und verlieren Sie niemals einen Ihrer Handschuhe!«
    Ich sah Hansen verwirrt an und winkte ihm zum Abschied noch einmal zu, doch der Pilot hatte die Nase seines Helikopters bereits nach vorn gelegt und schwirrte davon. Ich setzte meine Schneebrille auf, zog die Fellmütze über die Ohren und sah der in die Ferne verschwindenden Libelle nach. Dann warf ich mir die Reisetasche über die Schulter und lief hinüber zu den Wohncontainern, in der Hoffnung, DeFries treffe in den nächsten Minuten ein oder schicke zumindest jemanden, der mir mein Quartier zuwies. Der Schnee knirschte unter meinen Stiefeln wie Kartoffelstärke. In den Eingängen der Inuit-Behausungen erschienen zwei Köpfe, und Eskimoaugen musterten mich neugierig-abschätzend. Wahrscheinlich Einheimische, die für DeFries arbeiteten. Warum sie nicht ebenfalls in den Containern wohnten, sondern ihre recht bescheidenen Iglus bevorzugten, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht.
    Bis auf die Eskimos schien sich DeFries’ gesamte Mannschaft im Kessel aufzuhalten. Ich stellte meine Tasche neben einem der Container ab und lief auf ein Geräusch zu, das sich anhörte, als versuche jemand vergeblich, einen Außenbordmotor oder eine Kettensäge anzuwerfen. Die gesamte Containerburg ruhte auf einem Fundament aus schweren, schenkeldicken Holzbohlen, um sie vor dem langsamen Versinken im Eis zu bewahren.
    In einem Doppelcontainer, der als Geräteschuppen diente, fand ich einen Mann, der sich am Motor eines Schneemobils zu schaffen machte. Der Container lag als einziger ebenerdig, da er unbeheizt war. Als ich mich vor dem zu zwei Dritteln geöffnete Metallrollo bückte, um einen Blick ins Innere zu werfen, sah der Mann trotz des Lärms, den der stotternde Skidoo-Motor verursachte, auf. Er blickte zuerst an die gegenüberliegende Containerwand, dann über seine Schulter. Für einen Mechaniker erschien er mir fast zu schmächtig, geradezu knöchern. Er trug eine ölbespritzte Nickelbrille, sein Haar war millimeterkurz geschoren, und sein Gesichtsausdruck wirkte genervt, gehetzt und überrascht zugleich.
    »Hallo«, rief ich laut, um den Motor zu übertönen, und trat ein. »Ich bin Poul Silis.«
    »Ah!«, machte mein Gegenüber. Er stellte den Motor ab und erhob sich mit einem schweren Seufzer, als habe er zwei Tage ohne Pause vor dem Skidoo gekniet. Er musterte mich mit messerscharfem Blick, dann trat er auf mich zu und hielt entschuldigend seine schwarzverschmierten Hände hoch. »Palle Rijnhard«, stellte er sich vor. »Allround-Mechaniker. Bestehen Sie drauf?« Er streckte mir seine rechte Hand entgegen.
    »Nein, schon okay«, wehrte ich ab.
    »Ja …« Rijnhard sah unschlüssig auf den Skidoo. »Wenn ich mit dem Scheißbock dort fertig bin, steht er zu Ihrer Verfügung. Kann aber noch’n Tag dauern. Wir haben Sie bereits gestern Abend erwartet.«
    »Hansen hatte ein Problem mit dem Helikopter.«
    Rijnhard zeigte ein schmales Grinsen. »Ja, scheiß Technik.« Er betrachtete seine Hände, als könne er sie mit Blicken reinigen, sah dann ruckartig auf. »Falls Sie nicht darauf bestehen, an der Hand geführt zu werden, zeige ich Ihnen Ihren Container und anschließend die Station. DeFries wird den Helikopter gesehen haben, aber er kommt erst gegen Abend hoch. Heißer Kaffee oder ein Bier?«
     
    Das Lager umfasste insgesamt neunundzwanzig Container und war in zwei Komplexe aufgeteilt; einen Hauptblock, in dem sich die Arbeits- und Wohnräume der Techniker und Wissenschaftler befanden, und einen so genannten Infrastrukturblock, der mich aus der Luft an eine Stimmgabel erinnert hatte und etwa zwanzig Meter vom Hauptblock entfernt stand. Getrennt war das Lager wegen der Explosionsgefahr durch die Kraftstoffvorräte und dieselbetriebenen Anlagen im Infra-Block, erklärte Rijnhard. Fast alle Forschungsstationsverluste in arktischen Gefilden entstünden durch Feuer, denn es fehle meist an Löschwasser. Der eigentliche Stationsblock setzte sich aus vierzehn Containern zusammen. Fünf

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