Imagon
paar Stunden borgen? Und dazu eine oder zwei Rauchfackeln, falls Sie welche im Lager haben.«
»Was in aller Welt wollen Sie damit?«, erkundigte sich Chapmann.
»Und eine Videokamera«, überging ich seine Frage. »Ich habe meine leider zu Hause vergessen …«
Rijnhard schob seine Schneebrille über die Stirn und entblößte eine Dutzendschaft tiefer Stirnrunzeln. »Welche Farbe soll’s denn sein?«, fragte er bissig. »Roter Rauch, oder gelber?«
Chapmanns Funkgerät schlug an. Der Amerikaner griff in seinen Parka und zog sich die Kapuze vom Kopf. Er wandte sich mit dem Funkgerät am Ohr ab und entfernte sich ein paar Schritte, während er dreimal »Ja«, einmal »Nein« und »Ich komme« murmelte. »Die Kompetenzen«, entschuldigte er sich anschließend bei uns und nahm Rijnhard die Checkliste ab. »Ich werde am Helikopter gebraucht.«
»Würden Sie mir nachher bei einem kleinen Experiment assistieren?«, rief ich ihm hinterher.
Chapmann blieb stehen. »Ich soll Ihnen assistieren?« Er wirkte belustigt.
»Ich verspreche Ihnen: Falls das passiert, was ich vermute, werden Sie es nicht bereuen, ja gesagt zu haben.«
»Muss das unbedingt heute sein?«
»Ich möchte die Windstille ausnutzen. Morgen kann es schon zu spät sein. Es gibt dort unten außer dem Tempel noch etwas, das Sie sich unbedingt anschauen sollten. Mit einem Gruß von Broberg.«
Chapmann schüttelte den Kopf. »Wann?«
»Sagen wir in fünf Stunden? Ich möchte zuvor noch eine Analyse starten.«
»Okay. Aber Sie müssen mich suchen.« Damit wandte er sich ab und stapfte zurück ins Lager.
Ich steckte mir eine Zigarette an. »Haben Sie zufällig noch etwas Zeit?«, fragte ich Rijnhard. Der Mechaniker legte den Kopf schräg. »Ich brauchte nämlich jemanden, der mir hilft, meine frisch geweihte Ausrüstung in meinen Container zu transportieren.«
Rijnhard trat ein, ohne anzuklopfen. Unter den rechten Arm hatte er sich eine Reagenzien-Box geklemmt, auf seinem Rücken hingen an einem Schultergurt ein Paar Ski mit Stöcken, dazu ein massives, gelbes Dreibein-Stativ. Er zwängte sich zur Tür herein und schob sie mit dem Fuß wieder zu.
»Das ist die letzte«, erklärte er und setzte die Box (mit der Unterseite nach oben) auf einem Tisch ab. Ich dankte ihm, schloss den Deckel des Messküvetten-Behälters, den ich soeben auf Bruch kontrolliert hatte, und schob ihn gegen die Containerwand, während Rijnhard seine sperrige Last von der Schulter zog und erleichtert aufatmete. Dann griff er mit beiden Händen in seine Anorak-Taschen und zog aus der einen drei gelbe Rauchfackeln und aus der anderen eine Rolle schwarzes Isolierband. Alles zusammen legte er auf die Box. »Die müssen Ihnen reichen«, entschied er, als ich eine der Fackeln nahm, um ihre grellrote Beschriftung zu lesen. »Reißzünder, orangefarbener Rauch, Brenndauer je sechzig Sekunden.« Rijnhard öffnete seine Jacke und ließ sich auf einen der Stühle sinken. »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie vorhaben und müssen nicht erst mit den Dingern experimentieren.«
»Keine Sorge«, murmelte ich. »Die Vision in meinem Kopf wird immer klarer …«
Während der vergangenen drei Stunden hatte sich meine kahle Behausung in eine bescheidene Hightech-Alchimistenstube verwandelt. Die Herzstücke bildeten ein hydrochemisches und ein mikrobiologisches Labor nebst Rechnern, Monitoren, Druckern und einem Inmarsat-PC. Gemeinsam mit Rijnhard hatte ich einen Fotometer und einen Scanalyzer aufgestellt und ließ die Geräte sich seit knapp einer Stunde unter Spannung an die Containertemperatur anpassen.
Als die erforderliche Zeit für die Temperierung erreicht war, entnahm ich der stromgespeisten Kühlbox die Schmelzwasserprobe sowie zwei der Eisproben und startete die hydrochemische Analyse. In wenigen Stunden, so hoffte ich, würde ich Klarheit darüber haben, was die Anomalie des abgepumpten Schmelzwassers betraf. Und während die Untersuchung lief, würde ich gemeinsam mit Chapmann dem Schluckloch einen zweiten Besuch abstatten.
»Was wissen Sie eigentlich über diesen Talalinqua?«, fragte ich Rijnhard, der meine Vorbereitungen interessiert verfolgt hatte.
»Nicht viel. Er ist ein Spinner, wie dieses ganze Fleischfresser-Pack, das mit ihm dort draußen in den Schneehütten haust.«
»Ich habe nicht gefragt, was Sie von ihm halten, sondern was Sie von ihm wissen. Wer ist er? Wieso ist er hier? Und wieso duldet DeFries seine Anwesenheit?«
Rijnhard blies die Backen auf. »Ich kann Ihnen
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