Immer Ärger mit den Männern: Roman (German Edition)
das Zimmer und kam eine Sekunde später mit einem braungoldenen Seidenkimono zurück. »Also gut«, befahl sie, während sie das Kleidungsstück um Juliets Schultern legte und den Gürtel ordentlich in Höhe ihrer Taille zuband. »Jetzt erzählen Sie mir, was Ihnen einen solchen Schrecken eingejagt hat.«
»Verzeihung«, ertönte eine kultivierte Stimme mit Südstaatenakzent aus Richtung der Tür. »Ich habe einen Schrei gehört. Kann ich vielleicht irgendwie behilflich sein?«
»Oh, Mr Haynes«, sagte Roxanne erleichtert und wandte sich ihm zu.
»Für Sie Edward, meine Liebe«, verbesserte er sanft. »Erinnern Sie sich noch? Bitte nennen Sie mich Edward – ich bestehe darauf.«
»Ja, natürlich. Bitte kommen Sie herein.« Als der ältere Mann das Wohnzimmer betrat, legte Roxanne eine Hand auf Juliets Arm und sagte: »Das ist Edward Haynes, Juliet. Edward, das ist Juliet Astor Lowell. Sie war diejenige, die so geschrien hat, aber ich habe noch nicht herausgefunden aus welchem Grund.«
Bei der Ankunft des eleganten weißhaarigen Herren riss Juliet sich zusammen. »Da drin«, erklärte sie und wies zitternd auf die Tür des Schlafzimmers. »Es war in meinem Bett – groß, schwarz – Gott, es war so hässlich. Und es ist mir praktisch auf die Füße gefallen, als ich die Decke zurückgeworfen habe. So etwas habe ich nie zuvor gesehen. Es« – sie erschauderte und machte ein paar zappelige Bewegungen mit ihren Fingern – »ist unter das Bett gelaufen.«
»War es ein Tier, meine Liebe? Vielleicht eine Ratte?«
»Nein. Ein Käfer. Aber nicht klein und niedlich, sondern riesig. Regelrecht monströs.«
»Warten Sie hier«, wies Edward die beiden Frauen an. »Lassen Sie mich gucken, ob ich etwas finde.« Damit verschwand er durch die Tür.
Juliet und Roxanne hörten ein paar raschelnde Geräusche, und nun, da der Schock allmählich etwas nachließ, stellte Juliet erleichtert fest, dass sie einen Teil ihrer Fassung wiederzuerlangen schien.
Zum ersten Mal, seit das Insekt von dem Laken geflattert war, nahm sie ihre Umgebung wirklich wahr und merkte, dass auch Roxanne ihre geschäftsmäßige Kleidung gegen einen Hausanzug aus senffarbenem Satin getauscht hatte und ihre weich gelockten, rötlich braunen Haare statt in einem ordentlichen, straffen Knoten mit einem zu einer großen Schleife gebundenen schwarzen Netzstrumpf in einem losen Pferdeschwanz zusammenhielt. Dieser extravagante Look erinnerte Juliet an den Tag, an dem die junge Frau zum Vorstellungsgespräch bei ihr erschienen war, und ihr kam der Gedanke, dass sowohl Roxannes Arbeitsgarderobe als auch ihr Benehmen eine deutliche Veränderung erfahren hatte, seit sie in den Diensten des Crown’schen Unternehmens stand.
Es war nicht so, dass ihr diese Veränderung nicht auch schon vorher aufgefallen wäre – ihr Einverständnis, ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild und auch Benehmen an den Tag zu legen, war eine Grundvoraussetzung für ihre Einstellung gewesen. Bis zu diesem Augenblick jedoch war ihr nicht bewusst gewesen, wie groß diese Veränderung tatsächlich war. Außerdem kam ihr urplötzlich der Gedanke, dass sich Roxanne nur dann von ihrer lässigeren Seite zeigte, wenn sie mit ihr allein war.
Bei dieser Überlegung wallte heiße Zuneigung in Juliet auf. »Danke, Roxanne«, sagte sie voller Inbrunst. »Wenn Sie nicht so schnell gekommen wären, wäre ich wahrscheinlich in meiner Unterwäsche in den Flur hinausgelaufen und hätte mir dabei obendrein die Lunge aus dem Hals geschrien.«
Obwohl sie es versuchte, konnte ihre Assistentin ein Grinsen nicht vollständig unterdrücken. Ihr verzweifeltes Bemühen machte Juliet deutlich, dass sie anscheinend gerade bildlich vor sich sah, wie ihre Chefin gleich einer spärlich bekleideten urzeitlichen Kriegerin den Gang hinunterstürzte, und sie schnaubte leise auf. Sofort hatte sie sich wieder unter Kontrolle, doch dann begegneten sich ihrer beider Blicke und sie brachen gleichzeitig in geradezu hysterisches Gelächter aus.
»Wirklich«, keuchte sie, als sie schließlich wieder zu Atem kam. »Vielen Dank.«
»War mir ein Vergnügen.« Roxanne wischte sich die Tränen aus den Augen. »Das muss wirklich ein doller Käfer gewesen sein. So schockiert habe ich Sie nie zuvor erlebt.«
Juliet konnte es kaum fassen, wie sehr es sie danach verlangte, sich mit Roxanne wie mit einer Freundin zu unterhalten und ihr vertraulich zu erzählen, dass der Anflug des Insekts anscheinend irgendeine Urangst in ihr
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