Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
heißen, wie er will«, entschied mein Bruder. »Den verschandelt gar nichts. Außerdem kann er ja nichts dafür.«
Ich zog meine Augenbrauen zusammen. »Du bist jetzt aber nicht in Liebe für den Liebling entbrannt, oder?«
Jan schüttelte den Kopf. »Blödsinn. Ich zolle lediglich einem gut gelungenen Exemplar der Gattung Mensch meine Anerkennung.«
»Ach so.«
Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen, und ich ahnte: Er dachte an Eike. Früher oder später würde er mir hoffentlich erzählen, was passiert war. Meine Aufnahmefähigkeit war zwar seit ein paar Tagen begrenzt, aber für meinen kleinen Bruder konnte ich ein paar andere, eher erschreckende Infos ja einfach aus meinem Kopf verbannen. Zum Beispiel, dass Karl Küpper mich wiederhaben wollte.
»Wo warst du eigentlich so lange?«, erkundigte sich Jan arglos.
Ich ließ mich schnell auf mein Bett fallen. »Am Baggersee. Was wollte Sissi noch von mir? Irgendwas Wichtiges? Gibt es Probleme im Hotel? Muss ich zurückfahren? Kann ja sein, dass die ohne mich nicht klarkommen.«
»Mach dir keine falschen Hoffnungen. Da läuft alles prima ohne dich. Sissi hat nur gesagt, dass sie zu Opas Beerdigung kommen will.«
»Echt? Sie kannte ihn doch gar nicht.«
Jan hob die Schultern. »Das ist weniger wichtig, findet sie. Außerdem will sie sich ein bisschen um dich kümmern. Von wegen moralische Unterstützung und so.«
»Quatsch. Die ist bloß neugierig, wie das ganze Chaos hier ausgeht.«
»Na und? Auf jeden Fall ist sie deine beste Freundin, und meine genauso. Ich freue mich, wenn sie kommt.«
»Ich doch auch.«
»Gut. Und jetzt zurück zum Baggersee, Kröte. Dein Ablenkungsmanöver hat nämlich nicht funktioniert. Raus mit der Sprache. Was hast du da drei Stunden lang getrieben?«
Drei Stunden?
Unmöglich!
Die Zeit macht nur vor dem Teufel halt – so hieß doch der alte Schlager von Barry Ryan. War vor meiner Zeit ein Hit gewesen, aber Großtante Marie hatte mich früher mit Songs von Roy Black, Rex Gildo oder Bernd Clüver in den Schlaf gesungen.
Barry Ryan passte jetzt genau.
Der Teufel – schon wieder.
»Oha!«, rief Jan aus und zeigte auf meine Wangen. »Rot wie die Sünde.«
»Rot wie die Sünde? Wie bescheuert klingt das denn? Habe ich ja noch nie gehört.«
»Ich auch nicht, trifft es aber. Also? Was hast du mit Karl Küpper da getrieben?«
»Karl? Wie kommst du darauf, dass ich Karl getroffen habe?«
»Ich kenne keinen anderen Typen, wegen dem du knallrot werden würdest. Von Paul Liebling neuerdings mal abgesehen. Der war aber vermutlich noch nie am Baggersee von Nordergellersen und weiß auch gar nicht, wo der liegt.«
»Äh … nein.« Ich vergrub mein Gesicht im Kopfkissen und murmelte: »Der Karl und ich – wir haben uns ausgesprochen.«
»Ich verstehe kein Wort. Kannst du dich bitte mal hinsetzen und normal mit mir reden?«
Konnte ich nicht. Ich schämte mich. Jan hatte sich dreizehneinhalb Jahre lang meine endlosen Klagen über den bösen, bösen Karl angehört. Wie sollte ich ihm jetzt erklären, dass möglicherweise alles ein bisschen anders gewesen war?
Erst als die Luft im Kissen knapp wurde, hob ich den Kopf und erzählte stockend, was vorhin am Baggersee vorgefallen war.
»Dunnerlittchen!«, rief Jan aus und klang dabei original wie Opa Hermann. Der hatte auch gern ein Donnerwetter herbeigerufen, wenn er sich aufregte.
»Und jetzt will er dich wiederhaben und ein Dutzend Kinder in die Welt setzen?«
»So ungefähr.«
»Nele, darauf brauche ich jetzt was zu trinken.« Die Flasche Ferrari war noch halb voll. Er griff danach, schenkte uns beiden ein und trank sein Glas mit drei großen Schlucken leer. »Pfui! Viel zu warm!«
Ich rührte meinen Prosecco nicht an. Mein Instinkt sagte mir, dass ich nur vollkommen nüchtern Herrin der Lage bleiben konnte.
Herrin der Lage? Musste jemand sein, den ich nicht kannte.
Jan hatte sich von seinem Schrecken erholt. »Überlege dir gut, was du tust«, sagte er. »Zurückgehen ist im Leben meistens ein absolutes No Go.«
Ich fragte mich, ob er nur von Karl und mir oder auch von sich selbst und Eike sprach.
»Außerdem haben wir im Augenblick echt Wichtigeres zu tun«, fuhr er fort. »Opa seine Asche wiederfinden, zum Beispiel.«
»Hast du schon etwas erreicht?«, fragte ich zaghaft.
Jan stieß ein Schnauben aus, das eher zu Oma Grete gepasst hätte. »Ich habe ein paar Hertha Kowalskis angerufen. Es war schrecklich.«
Mehr wollte ich eigentlich gar nicht wissen, fragte
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