Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
Großvater hat mir einmal Fotos gezeigt. Da sahen Sie … nun, ein wenig anders aus.«
Jan lächelte geschmeichelt. Ich war mir jedoch nicht sicher, ob Pauls Bemerkung als Kompliment gemeint war.
»Sehr erfreut, Sie kennenzulernen«, sagte Paul und reichte Jan die Hand, die dieser einen Tick zu lange festhielt. »Ebenfalls sehr erfreut, Doktor Liebling.«
»Liebling reicht.«
Ich räusperte mich.
»Weshalb wollen Sie mich sprechen?« Und warum haben Sie mich im Krematorium abgeküsst?
Letzteres sprach ich zum Glück nicht laut aus.
Paul betrachtete kurz seine Hand, dann sagte er: »Es geht um eine vertrauliche Angelegenheit.«
Jan verstand. »Dann werde ich es mir mal so lange hier im Dschungel gemütlich machen. Gibt es als Snack vielleicht ein paar Mehlwürmer und Kakerlaken?«
Paul lachte laut heraus, und ich stellte zwei Dinge gleichzeitig fest. Erstens: Er konnte ganz wunderbar lachen. Tief aus dem Bauch heraus und bis hoch in die Augenwinkel. Zweitens: Er besaß prachtvolle weiße Zähne.
Jan starrte ihn fasziniert an, ich ebenfalls.
Paul verstand das falsch und brach abrupt ab. »Pardon, das war unangemessen.«
»Wieso?«, fragte Jan mit peinlicher Enttäuschung in der Stimme.
Ich begriff schneller. Wegen Opa, meinte er sicher. Ich nickte, obwohl ich gern ein bisschen mitgelacht hätte.
Dann folgte ich Paul in sein Büro, wartete, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, ließ mich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch sinken und vergaß alle Heiterkeit.
In meinem Innern machte sich eine dumpfe Ahnung breit.
Gut möglich, dass sich mein Leben in den nächsten paar Minuten radikal ändern würde.
Jede Dschungelprüfung war ein Klacks dagegen.
11.
Was Opa mir noch sagen wollte
Paul nahm Platz, faltete die Hände und schaute mich nachdenklich an. Bevor mir heiß werden konnte, senkte er schnell den Blick. Ganz wohl war ihm gerade auch nicht.
»Ich bin … ich war der Anwalt Ihres Großvaters.«
»Hab ich mir schon gedacht.« Das klang patziger als beabsichtigt, und ich schickte ein schmales Lächeln hinterher, das nicht erwidert wurde.
»Für meinen Mandanten war es außerordentlich wichtig, noch einmal persönlich mit Ihnen zu sprechen«, sagte er förmlich.
Ich fand es echt komisch, dass mich ein Mann siezte, der mich schon einmal im Arm gehalten hatte. Zweimal, um genau zu sein. Im ICE ja auch. Aber ich sagte nichts, sondern verlegte mich vorerst auf das berühmte Lüttjens-Schweigen.
Das verwirrte ihn.
Nach einem umständlichen Räuspern fragte er: »Interessiert es Sie nicht, worum es geht?«
Na gut, mit Schweigen würde ich jetzt nicht viel erreichen. »Ich würde zuallererst gern wissen, was Sie in München gemacht haben.«
Paul wurde rot.
Ich schaute genauer hin. Doch, ein ganz klein wenig hatte sich seine Gesichtsfarbe verdunkelt.
Bemerkenswert.
Sein Tonfall blieb jedoch sachlich. »Ihr Großvater hat mich darum gebeten, ihn zu begleiten. Er … nun … er fürchtete sich ein wenig vor so einer langen Bahnfahrt ganz allein.«
Opa Hermann, der sich vor etwas fürchtete? Das war mir neu. Andererseits hatte ich ihn lange nicht mehr gesehen, und mit vierundneunzig Jahren durfte auch ein niedersächsischer Patriarch mal Schwäche zeigen.
Ich konzentrierte mich wieder auf Paul.
»Die Reise verlief ohne Zwischenfälle«, erzählte er. »Nur am Münchener Hauptbahnhof hat Herr Lüttjens darauf bestanden, allein zu Ihnen zu fahren. Obwohl ich in sein Anliegen eingeweiht war, meinte er, das sei er seiner Familie schuldig.«
Meine Gedanken schweiften ab. Opa war uns etwas schuldig? Merkwürdig. Ich hatte es immer andersherum gesehen. Er war es doch, der den Hof über den Krieg gerettet hatte, der dafür gesorgt hatte, dass nie jemand von uns hatte hungern müssen, der die Familie zusammenhielt und … na ja, der Familienzusammenhalt war ihm nicht so besonders gut gelungen.
Paul sah mich geduldig an. »Hören Sie mir noch zu, Frau Lüttjens?«
»Logo.«
»Bitte?«
»Äh … selbstverständlich.«
»Gut. Ihr Großvater wollte mich später im Hotel wiedertreffen. Dazu ist es unglücklicherweise nicht mehr gekommen. Er blieb so lange fort, dass ich schließlich ebenfalls zu Ihrer Wohnung gefahren bin. Eine gewisse Eveline Traun hat mir erzählt, was passiert ist.«
»Aha«, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel. Ich sah wieder meine Nachbarin Evi vor mir und musste plötzlich mit den Tränen kämpfen.
»Ist ja gut«, sagte Paul weich und reichte mir ein Tempo. »Er
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