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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Die Seele soll ihr genommen werden. Nichts wird ihr erspart. Wie entsetzlich! Wie grausam!»
    Hero fragte atemlos: «Wer ist es? Wer ist bedroht?»
    «Es ist ein junges Mädchen in diesem Haus.» Mrs. Taylors Stimme klang, als könne sie nicht fassen, was sie sah oder hörte. Sie starrte wie gebannt auf die farbigen Karten — die Könige, Damen, Buben und Ritter, die roten und schwarzen Augen. Sie blickte auf die lächerlichen Holzschnitte mit Engeln, Teufeln, Skeletten, Hofnarren, Fabeltieren, symbolischen Flammen, mit Mond und Sternen und all dem kindischen Mischmasch des Gauklers. Und doch hatte eine merkwürdige, beunruhigende Veränderung stattgefunden, als hätte im Kosmos ein Zahnrad nicht eingehakt, als wäre der Schleier der Zeit gelüftet worden oder als hätte sich Mrs. Taylor — so, wie sie eben seine Gedanken gelesen hatte — nun in Geist und Seele eines anderen Menschen hineinversetzt.
    «Was beschwört diese Gefahr herauf?» flüsterte Hero, der kaum zu sprechen wagte.
    «Eifersucht und Haß», erwiderte jene andere Stimme Mrs. Geraldine Taylors. «Teuflischer Haß und Tod — und der Untergang im Feuer — Flammen an jedem Fenster, die zum Untergang von Paradine Hall auf-leuchten!» Und dann, als wäre noch jemand anders da, zu dem sie spre- ; che, schüttelte sie den Kopf und sagte: «Aber das ist sündhaft — unsagbar sündhaft! Du darfst es niemals tun — du wirst deine Seele verlieren — , du wirst verdammt sein in alle Ewigkeit. Verstehst du nicht, daß du das nicht tun darfst?»
    Es kam Hero vor, als sei er Zeuge eines fürchterlichen Meeressturmes, wo die turmhohen Wogen dennoch nur ein schwaches Abbild der ungeheuren Gewalt der aufgepeitschten, wütenden Elemente darstellten. Was für unbekannte Furien sprachen da aus Mrs. Taylors Worten? und fühlte sich Hero gedrängt zu fragen.
    «Wie bitte?» sagte sie. Und dann begannen ihre Finger mechanisch die Karten vom Tisch aufzunehmen. Sie hielt einen Augenblick inne, als bemerke sie erst jetzt, was sie tat, und fuhr fort, die Karten zusammenzuschieben. Jeder Rapport, der etwa vorhanden gewesen sein mochte, war unterbrochen.
    «Ich möchte lieber aufhören, wenn es Ihnen nichts ausmacht», sagte sie, und zwar mit wieder ganz normaler Stimme. «Sie glauben ja doch nicht so recht daran, wie mir scheint? Leider ist nicht viel dabei herausgekommen. Vielleicht ein andermal... Möchten Sie noch etwas trinken?»
    Mit einem geradezu spürbaren Ruck fiel der Kosmos in seine gewohnte Bahn zurück, und der Schleier senkte sich. Hero hörte sich murmeln: «Nein, nein — es war sehr interessant. Nein, danke, ich möchte keinen Whisky mehr. Ich habe Sie lange genug aufgehalten. Ich danke Ihnen für Ihre Mühe.»
    Er erhob sich und ging zur Tür. Dort zögerte er einen Moment. Mrs. Taylor stand neben dem Tisch, die Karten in der Hand, und betrachtete ihn grüblerisch, so, als wolle sie sich etwas in Erinnerung führen. Sie sagte: «Seien Sie vorsichtig, junger Mann.»
    Er ging hinaus und begab sich in sein Zimmer. Er hatte das Bedürfnis, allein zu sein und nachzudenken. Alles schien irgendwie verwandelt — die Dielen und Teppiche, über die er schritt, die Bilder an den Wänden, er selbst; er war von einer elementaren Angst erfüllt. Etwas hatte sich verändert, irgend etwas, was auf einer anderen Ebene lag; Kräfte waren frei geworden, eine Krise stand bevor. Er hatte eine Warnung erhalten, wenn er sie doch nur zu deuten wüßte! Er fühlte sich der neuen und noch größeren Gefahr nicht gewachsen, die Susan Marshall und allen anderen drohte.

22

«Meine Liebe, das ist eine Familienangelegenheit»

    Der Nachmittagstee mit den Paradines kam Mr. Hero vor wie ein makabres Possenspiel, in dem die geheimen Spannungen von banaler Höflichkeit überdeckt wurden. dachte er.     «Sie nehmen doch Zucker?» fragte Isobel Paradine seine Schwester Meg. Ein schwarz-silbernes Nachmittagskleid brachte Isobels aristokratische Züge und ihr platinblondes Haar besonders gut zur Geltung.
    Lady Paradine trug ein malvenfarbenes Gartenkleid, das eigentlich nicht zu ihrem kupferroten Haar paßte und dennoch eine harmonische Gesamtwirkung ergab. Sie biß mit ihren kleinen Zähnen in eine Scheibe gebutterten Toast und schien sich für nichts anderes zu

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