Immer für dich da (German Edition)
fühlte – sich wie jemand, der verlassen worden war, doch das war natürlich nur Einbildung. Zumindest das war ihr klar.
Sie ging allein nach Hause. Der Bus brachte sie bis zur Ecke Pike and Pine, wo sie sich etwas zum Abendessen kaufte. In ihrer Wohnung machte sie es sich auf der Couch bequem, aß direkt aus der Verpackung und sah sich die Spätnachrichten an. Danach machte sie sich ein paar Notizen zu möglichen Beiträgen, rief ihre Mom an und schaltete dann auf Denver Clan und Chefarzt Dr. Westphal.
Mitten in der Krankenhausserie klingelte es an der Tür.
Sie runzelte die Stirn. »Wer ist da?«
»Johnny Ryan.«
Der Schock warf Kate fast um. Erleichterung. Freude. Angst.
Sie schaute in den Wandspiegel und stöhnte laut auf. Sie sah aus wie auf einem »Vorher-Foto« in einer Zeitschrift: die Frisur platt, das Gesicht ungeschminkt, die Brauen ungezupft.
Er klingelte erneut.
Sie öffnete.
Da stand er, lehnte schwerfällig am Türrahmen. Er trug eine schmutzige Jeans und ein zerrissenes T-Shirt mit der Aufschrift Born in the USA. Seine Haare waren lang und ungekämmt, und obwohl er braun gebrannt war, wirkte er abgezehrt und gealtert. Sie roch, dass er getrunken hatte.
»Hey.« Er winkte einen müden Gruß. Dabei verlor er das Gleichgewicht und stolperte nach vorn.
Kate trat auf ihn zu. Sie stützte ihn und zog ihn in die Wohnung, kickte die Tür hinter sich zu und führte ihn zum Sofa, auf dem er zusammensackte.
»Ich war drüben im Athenian. Hab mir Mut angetrunken, um rüberzukommen.« Er sah sich um. »Wo ist Tully?«
»Nicht hier«, antwortete Kate und spürte einen Kloß im Hals.
»Ach.«
Sie setzte sich neben ihn. »Wie war es in El Salvador?«
Als er sich zu ihr wandte, war sein Blick so tieftraurig, dass sie die Arme ausstreckte und ihn an sich zog.
»Er war tot«, sagte er nach langem Schweigen. »Noch bevor ich ankam, war er bereits tot. Aber ich musste ihn suchen …« Er holte einen Flachmann aus seiner Tasche und nahm einen kräftigen Schluck. »Willst du auch?«
Sie trank einen Schluck und spürte, wie sich die Flüssigkeit einen Weg durch ihre Kehle brannte und sich dann wie ein Stück glühender Kohle in ihrer Magengrube einnistete.
»Es ist so gottverdammt herzzerreißend, was da unten passiert. Und es wird einfach nicht genug darüber gesendet. Weil es niemanden interessiert!«
»Du könntest das doch übernehmen«, schlug sie vor, obwohl sie die Vorstellung schreckte.
»Ich wollte, das ginge …« Seine Stimme erstarb erst und wurde dann wieder lauter. »Aber das ist Schnee von gestern.« Er trank noch einen Schluck.
»Vielleicht solltest du es jetzt mal ein bisschen langsamer angehen.« Sie versuchte, ihm die Flasche abzunehmen. Aber da packte er ihr Handgelenk und zog sie zu sich auf den Schoß. Er streichelte ihre Wange und strich ihr übers Gesicht, als wäre er blind und versuchte herauszufinden, wie sie aussah.
»Du bist so schön«, flüsterte er.
»Und du bist betrunken.«
»Trotzdem bist du wunderschön.« Er nahm sie in die Arme. Sie wusste, er würde sie küssen, spürte es mit jeder Faser ihres Körpers, wusste aber auch, dass sie ihn daran hindern musste.
Als er sie an sich zog, verpufften all ihre guten Vorsätze. Sie gab dem Druck seiner Hände nach und ließ sich von ihm immer tiefer ziehen, bis zu seinem Mund.
Noch nie hatte sie so etwas gespürt wie seinen Kuss: zärtlich und süß zu Beginn und dann suchend, fordernd.
Sie ergab sich ihm so bedingungslos, wie sie es immer erträumt hatte. Seine Zunge setzte sie unter Strom, entfachte ein neues, fast schmerzliches Sehnen in ihr. Eine fast verzweifelte Gier nach ihm überkam sie. Ohne nachzudenken, schob sie ihre Hände unter sein T-Shirt, fühlte seine warme Haut, drängte sich näher an ihn …
Ihre Hände waren bereits an seinem Schlüsselbein und schoben das T-Shirt hoch, als sie merkte, dass er sich nicht mehr rührte.
Sie war so aufgewühlt, dass sie einen Moment brauchte, um zu erfassen, was los war. Heftig atmend und erfüllt von diesem neuen, schmerzlichen Drängen, konnte sie sich nur mühsam von ihm lösen, um ihn anzusehen.
Er hatte sich zurückgelehnt, die Augen halb geschlossen. Langsam und ruckartig, so als könnte er seine eigenen Bewegungen nicht mehr kontrollieren, berührte er mit den Fingerspitzen ihre Lippen und zog ihre Konturen nach. »Tully«, flüsterte er. »Ich wusste, dass du gut schmeckst.«
Und dann schlief er ein.
Kate wusste nicht, wie lange sie auf seinem Schoß
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