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Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Titel: Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schädlich
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zu Ende. Was dann wird, weiß ich nicht. Alle Bewerbungen scheitern. Es gibt immer zu viele, die sich eignen, 400 kürzlich auf eine Stellenausschreibung. Ich habe vor, nach Hamburg zu gehen.«
    Dahin zurück ging es nicht. Es sollte Düsseldorf werden. Und eine feste Stelle, unbefristet. Die Schwester käme mit. Ich bliebe in Berlin. Es hat mich nicht erschreckt. Nicht mehr. Wir waren schon durch zu viele Feuer gegangen, um noch gebrannt zu werden. Wir machten es uns, glaube ich, zumindest vor, weil es anders nicht ging. Weil wir wieder einmal keine Wahl hatten. Ich blieb vorerst bei dem Freund und Muhme, nachdem ich beim Umzug geholfen hatte. Die Wohnung, in die ich nicht mehr ging, in der noch immer die Möbel der Eltern standen, in der bis dahin die drei Männer gewohnt hatten, die nie pünktlich die Miete zahlten, und an der die wenigsten guten Erinnerungen hingen, wurde aufgelöst. Die Mutter sagte: »Ich kann das nicht.« Ich sagte: »Ich nehme mir frei von der Schule.« Der Vater kam. Ich stand auf der Leiter, nahm Bücher aus den Regalen, die Linguistik für den Vater, die Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte für die Mutter, die Belletristik wurde aufgeteilt. Je nach Wunsch oder je nach Widmung für die Mutter oder den Vater. Ich klappte Buch für Buch auf, es war Dezember. Immer wieder Dezember. Der Vater packte die Bücher in die jeweiligen Kisten. Ich sehe noch den Schreibtisch des Vaters, die Lederdecke darauf, die Schreibmaschine und kam mir vor wie verflixte sieben Jahre zuvor.
    Wieder ein Umzugswagen also. Die letzte Fahrt mit dem froschgrünen Shiguli. Der hatte uns die Treue gehalten, aber in Düsseldorf wollte die Mutter ihn nicht mehr. Neuanfang, nur Mutter und kleinere Tochter. Die Fahrt in Richtung Westen, Transitstrecke, wo jede Ausfahrt eine Verlockung war abzufahren, um heimlich vielleicht wen auch immer, den man kannte, zu besuchen. Vorsicht, weil man wusste, dass jederzeit die Kelle des Polizisten am Straßenrand winken konnte. Und was dann? »Können Sie vielleicht mal den Kofferraum aufmachen?« Das war ein Befehl. Oder: »Was haben wir in der ersten Fahrstunde gelernt?« Es kam auf die richtige Antwort an, die man nicht wusste. Schulterzucken. »Blinken beim Überholmanöver!« Wenn der Pennäler im Westauto vor dem sächsischen Vopo demütig die Lektion hinnahm, blieb es bei einem Bußgeldbescheid. Jahrelang hatten wir die Transitstrecke so selten wie möglich als Reiseroute benutzt. Sind lieber geflogen. Der Weg mit dem Auto war nicht sicher, irgendein Vorwand hätte vielleicht genügt für irgend etwas.
    Einmal eine Reise von Hamburg nach Berlin, ganz am Anfang. Wir fuhren im Schnee, weiß die Straße, weiß die Sicht, und plötzlich fuhren wir in ein Dorf. Wir waren von der Transitstrecke abgekommen. Das dörfliche Idyll im Winter war keine Beruhigung. Wir mussten so schnell wie möglich und unbemerkt den richtigen Weg finden. Nervöses Blättern im Atlas. Aber nicht unter einer Laterne, sondern nur im Schein des Wageninnenlichts. Ewige Minuten verstrichen, während der Vater und die Mutter sich den Weg merkten. Nur nicht noch einmal anhalten müssen. Der Vater fuhr weiter, die Mutter schwieg. Wir Kinder auch. Niemand sollte uns hören, kein Wörtchen. Der Schnee schluckte die Geräusche des Motors, und wir fanden schließlich den Weg zurück. Die zu lange Fahrtzeit verwunderte den Grenzbeamten zum Glück nicht.
    Normalerweise also keine Abfahrt von der Strecke. Statt dessen Ausfahrt an einer Raststätte, Soljanka essen oder Schnitzel mit Rohkostbeilage. Im Wagen die Mutter, die Tochter einer Freundin der Mutter – sie wollte mit dem Auto weiter in die Ferien –, die Schwester und ich. Im Wagen zwei Koffer, eine Reisetasche, eine Schmuckkassette, eine Schulmappe, eine Puppe, ein Stoffhund, vielleicht Schlafdecken, ganz sicher Beutel und Handtaschen. Auf jeden Fall keine Katze. Ähnlichkeiten nichtsdestotrotz und doch alles anders. Dunkelheit und Nieselregen. Das Auto, schwer beladen, kündigte keine Hinfälligkeit durch Geräusche an, jedoch die Tanknadel beängstigende Leere. Auf einem Hügel der Autobahn dann schwiegen der Motor und schließlich auch wir. Der Wagen rollte hügelab und am Fuße auf eine Tankstelle. Wir nahmen dieses Glück als gutes Zeichen für die neue Zeit.
    Einrichten in Düsseldorf, einrichten in Berlin. Ich bezog eine eigene Wohnung, in der Manitiusstraße, zwei Zimmer, Küche, Bad. In der Manitiusstraße wohnte ich wie eine Erwachsene. Allein. War ja

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