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Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Titel: Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schädlich
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schloss sich, und ich war allein. Erst da wurde mir ein wenig mulmig. Stutzig wurde ich nicht. Das hätte ich schon werden müssen, als der Brief in die Manitiusstraße kam, mit der Aufforderung, mich an diesem Tag an diesem Ort einzufinden. Meine Naivität, meine Blindheit kann ich mir nur so erklären, dass ich jung war, ohne Halt, dass ich dem Onkel, der mir zugeraten hatte, vertraute. Er musste wissen, was gut und richtig für mich war. So war das eben, wenn man sich mit der ungewöhnlichen Bitte um eine Schneiderlehre an den Ost-Berliner Oberbürgermeister wandte. Dann gab es erst einmal ein Gespräch.
    Ich wartete, hatte Zeit, mich umzusehen. Die Tür ohne Klinke, ein Tisch, vier Stühle, eine Liegecouch. Eine Lampe über dem Tisch. Das Fenster vergittert. Ich fing an zu schwitzen. Ich saß und wartete und wartete und saß, bis sich die Tür öffnete, ein Mann eintrat, hochgewachsen, dunkles Haar, und sich setzte. Mir gegenüber. Seinen Namen sagte er nicht, und ich war zu scheu, ihn zu fragen. Er war freundlich, er gab mir die Hand. Er fragte nach meinen Eltern, was sie machten, mit wem sie Umgang hätten, ich antwortete, oder ich antwortete nicht. Es dauerte lange. Schließlich sagte er, mein Anliegen werde geprüft. Allerdings wäre es weniger aufwendig und weitaus praktischer, wenn ich noch fünfzehn weitere Interessenten gewinnen würde, das ergebe eine Klasse.
    »Überlegen Sie es sich.«
    Er gab mir einen Termin. Er streckte mir die Hand entgegen, ich reichte ihm meine, wir verließen den Raum gemeinsam, er brachte mich zur Haustür, er ging mit mir zur Straßenbahn, er wartete mit mir an der Haltestelle, er stieg mit ein, er stieg mit aus, er ging ein Stück des Wegs, bis ich den Onkel sah und erleichtert auf ihn zulief. Damals wunderte ich mich nicht. Wir gingen ins Café Moskau, und dort erzählte ich ihm alles. Wie immer.
    Ich erzählte einem Freund in West-Berlin, wie es gewesen war.
    Ich erzählte dem Freund von dem zweiten Termin.
    Der Freund: »Ich glaube, das nächste Mal fahre ich mit.«
    Das nächste Mal fuhren wir in einem Wagen, den er sich geliehen hatte, zu dem Haus. Der Freund wartete im Wagen.
    Ich lese: »Auskunftsersuchen zum Kfz. Kfz Kennzeichen B – AX 1084, Staat bzw. WB: WB, Tag und Ort der Feststellung des Kfz, 12.7.85 Hauptstadt. Benötigt werden die Personalien der Kfz.-Benutzer.«
    Auf den Gedanken, dass sogar derjenige, der den Wagen geliehen hatte, ins Fadenkreuz der Staatssicherheit geraten könnte, war ich damals nicht gekommen. Keiner von uns beiden hatte eine Ahnung, in welche Gefahr wir uns begaben.
    Diesmal musste ich nicht in dem Vorraum warten. Der rauchende Pförtner brachte mich gleich in das Zimmer mit der Tür ohne Klinke, dem Tisch, den vier Stühlen, der Liegecouch, der Lampe über dem Tisch. Das Fenster vergittert. Die Tür schloss sich. Ich wartete wieder eine lange Zeit.
    Als sich die Tür öffnete, trat derselbe Mann ein wie beim letzten Mal. Wieder freundlich.
    Er sagte: »Guten Tag. Schön, dass Sie wieder da sind. Wie geht es Ihnen?«
    Sicherlich sagte ich, dass es mir gutginge.
    »Ihr Anliegen wird noch geprüft, es sieht gar nicht schlecht aus.« Er wartete auf meine Reaktion. Ich nickte.
    »Würden Sie sich bereit erklären, die Staatsbürgerschaft der BRD aufzugeben?«
    »Niemals.«
    Er lächelte. »Das ist auch nicht so wichtig. Erzählen Sie mir ein bisschen von West-Berlin, wie das Leben dort so ist. Wie geht es Ihren Eltern?«
    Jetzt hatte ich Angst. Ich wusste, der Mann war nicht freundlich.
    »Das wissen Sie doch ohnehin alles, wieso soll ich es Ihnen also erzählen?«
    »Wir wollen doch nur ein wenig plaudern. Leben Sie gerne in West-Berlin?«
    »Ja, sehr gerne. Ich habe meine Freunde dort.«
    »Wären Sie traurig, wenn Sie nicht mehr in die Hauptstadt reisen dürften?«
    »Ja, mein Onkel lebt hier, ich besuche ihn.«
    »Ja, sicherlich. Hat Ihr Vater noch Kontakt zu Biermann?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Das wissen Sie nicht?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    So ging das, Frage von ihm, Antwort von mir oder Kopfschütteln oder Schulterzucken. Ich wurde müde. Ich hatte Durst. Ich sagte: »Ich habe Durst.«
    »Nun, Sie wollen also eine Schneiderlehre beginnen. Wissen Sie, das ist gar nicht so einfach. Das dauert seine Zeit. Sie müssen Geduld haben.«
    Und dann ging es weiter, Frage von ihm, von mir Kopfschütteln oder Schulterzucken.
    Er lächelte. Ich versuchte zu lächeln. Er stand auf. Abrupt.
    »Wir melden uns bei Ihnen, sobald eine

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