Immortalis
nicht einmal hin.
Sie gingen einfach weiter, vorbei an zwei geparkten Autos, vorbei an Corbens Grand Cherokee, und überquerten dann die Straße.
Sie kamen geradewegs zu ihnen.
20
Mia sah, dass die Männer die Straße überquerten und auf das Haus zukamen. Sie verschwanden unter dem Balkonvorsprung. Mia drehte sich zu Corben um.
«Woher wissen sie, dass wir hier sind?», fragte sie.
«Ich glaube nicht, dass sie Ihretwegen hier sind. Dazu ist es noch zu früh. Sie wollen die Wohnung durchsuchen.» Er drückte das Handy wieder ans Ohr. «Sie müssen sofort jemanden herschicken. Wir sind in dem Apartmentgebäude auf der anderen Straßenseite, dem Hotel gegenüber. Zweiter Stock. Die Wohnung gehört Evelyn Bishop. Beeilen Sie sich; sie kommen schon ins Haus», kläffte er und klappte das Handy zu. Er stopfte sich Evelyns Aktenordner unter die Jacke und in den Gürtel und nahm Mias Arm. «Kommen Sie», drängte er und zog sie zur Wohnungstür.
Gerade als sie ins Treppenhaus traten, kam eine Frau aus der Nachbarwohnung. Sie erstarrte, als sie zwei Fremde aus Evelyns Apartment kommen sah. Sie zögerte kurz und sagte dann etwas auf Arabisch, aber Corben schnitt ihr schroff das Wort ab. «Gehen Sie zurück in Ihre Wohnung, schließen Sie die Tür ab und halten Sie sich von ihr fern. Haben Sie verstanden?»
Erschrocken und verwirrt schaute die Frau zwischen Corben und Mia hin und her. «Sofort», befahl Corben. Er trat auf sie zu und schob sie zurück in ihre Wohnung. Die Frau nickte eingeschüchtert, verschwand wieder in ihrer Wohnung und schob von innen den Riegel vor.
Die «Besetzt»-Lampe neben der Aufzugtür leuchtete gelb auf. Dann ertönte ein lautes Klicken, und der Motor lief summend an. Die Kabine fuhr aus dem obersten Stockwerk hinunter in den Eingangsflur. Gleich würden die Killer hier sein.
Corben trat an den Rand der Treppe neben dem Liftschacht und lauschte einen Moment lang. Dann trat er zurück, spähte die Treppe hinauf und verzog das Gesicht. Das gefiel ihm nicht. Der Ausgang zum Dach konnte verschlossen sein. Nachbarn konnten ins Spiel kommen. Zu viele unbekannte Faktoren.
«Was jetzt?», fragte Mia.»Was machen wir?»
«Wieder hinein.» Er schob sie zurück in Evelyns Wohnung.
Sorgfältig schloss er die Tür und drehte den Knopf der Verriegelung um. Er sah, dass Evelyn außerdem eine Türkette hatte, und hob die Hand, um sie vorzuschieben, aber dann ließ er es bleiben. Die Kette würde verraten, dass jemand in der Wohnung war, und das durfte nicht sein.
Jetzt hatte er nur noch Sekunden Zeit, um sich einen Plan einfallen zu lassen.
Er warf einen Blick hinüber zu der großen Glasschiebetür vor dem Balkon und zu dem Fenster daneben. Entschlossen wandte er sich an Mia. «Ziehen Sie die Vorhänge zu. So dicht wie möglich. Es darf kein Licht hereinfallen. Und schließen Sie die Schlafzimmertür.»
Sie gehorchte, und das Wohnzimmer versank in erdrückender Dunkelheit. Unterdessen hatte Corben den Schonbezug von einer Armlehne des Sofas gerissen und um seine Hand gewickelt. Er nahm sich eine Lampe nach der andern und auch den Kronleuchter vor und zerdrückte sämtliche Glühbirnen mit kühler Effizienz. Zuletzt kam die Lampe in der Diele an die Reihe.
Als Mia die Schlafzimmertür geschlossen hatte, fand sie Corben in der Küche, wo er die Schubladen durchwühlte. Er nahm zwei Küchenmesser heraus, betrachtete prüfend ihre Klingen und wählte das solideste aus, um es sich seitlich unter den Gürtel zu schieben.
Mia sah es wie betäubt. «Bitte sagen Sie mir, dass Sie auch eine Pistole haben», bat sie.
«Die sind im Wagen», antwortete er grimmig. Als Amerikaner wurde er in der angespannten Atmosphäre der Stadt mit Argwohn betrachtet, und die Bezeichnung «Wirtschaftsberater» stand ebenso wie «Kulturattaché» als Kürzel für die CIA. Die verräterische Wölbung einer Pistole unter der Jacke – die die Leute hier noch eher bemerkten als die Bürger von Corleone – wäre ein Schrei nach Aufmerksamkeit gewesen. Deshalb lagen die Ruger und die Glock in einem verschlossenen Fach im Jeep.
Hinterher war man immer klüger.
Corben ließ den Blick suchend durch die Küche schweifen. Sie lag abseits des Wohnzimmers und hatte eine Glastür, die auf einen kleinen Balkon hinausführte. Neben der Tür stand ein großer, frei stehender Kühlschrank, ein altes, schweres Modell, und über die andere Wand erstreckten sich kunststoffbezogene Arbeitsplatten und Schränke. Er ging bis zum Ende und
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