Imperator 02 - König der Sklaven
zuzuschauen.
Er verzog das Gesicht vor Wut auf sich selbst. Sein Vater wäre nicht schwach geworden. Renius hätte sie eigenhändig und ohne mit der Wimper zu zucken angenagelt. Er spürte, wie seine Wangen vor Scham glühten. Zornig spuckte er auf die Kaimauer, als er an den Rand des Hafenbeckens kam. Trotzdem, er hätte nicht länger bei seinen Männern stehen bleiben und zuschauen können, und wenn er einfach weggegangen wäre, hätte es seinem Ansehen bei ihnen geschadet, nachdem das grausame Töten auf seinen Befehl hin begonnen hatte.
Cabera hatte sich geweigert, sich den Legionären bei den Hinrichtungen im Hafen anzuschließen. Er stand an der Reling des Schiffs, den Kopf in einer unausgesprochenen Frage auf die Seite gelegt. Julius schaute ihn an und zuckte die Achseln. Der alte Heiler klopfte ihm auf den Arm und hielt mit der anderen eine Amphore Wein hoch.
»Gute Idee«, sagte Julius, der mit den Gedanken ganz woanders war. »Aber hol lieber noch eine zweite. Ich möchte heute Nacht keine bösen Träume haben.«
20
Nur wenige der Gebäude im Hafen hatten noch Dächer und Wände, die sicher genug waren, um von Julius’ Soldaten benutzt zu werden. Zu viele der anderen waren niedergebrannt worden, ihre Mauern nichts als leere Hüllen. Julius pendelte zwischen den drei Schiffen und den Lagerhäusern hin und her und schickte Männer auf die Suche nach Vorräten in die nähere Umgebung aus. Obwohl Celsus genug Proviant an Bord hatte, um seine Mannschaft über den größten Teil des Winters zu bringen, würde er kaum ausreichen, um so viele aktive Soldaten über längere Zeit zu ernähren.
Die Legionäre blieben auch unterwegs stets wachsam, zogen nie alleine aus und hielten stets Ausschau nach Überraschungsangriffen. Auch jetzt, nachdem sie die Leichen weggebracht und beerdigt hatten, blieb der Hafen ein stiller, bedrückender Ort, und sie lebten mit dem ständigen Gedanken, dass diejenigen, die diese friedliche römische Siedlung zerstört hatten, sich immer noch in der Nähe aufhalten oder zurückkehren könnten.
Sie fanden nur einen Überlebenden. Sein Bein war aufgeschlitzt worden, und die Entzündung hatte sich rasch ausgebreitet. Sie hörten ihn, als er sich bewegte, um eine Ratte zu töten, die vom Geruch des Bluts angelockt worden war. Er zerschmetterte ihr den Schädel mit einem Stein und schrie dann entsetzt auf, als ihn Julius’ Männer bei den Armen packten und ihn hinaus ins Tageslicht brachten. Nach Tagen in der Dunkelheit seines Verstecks hielt der Mann die schwache Morgensonne kaum aus und brabbelte wirres Zeug, als sie ihn zu den Schiffen trugen.
Sobald er das geschwollene Bein sah, rief Julius nach Cabera, obwohl er vermutete, dass es nichts mehr nützen würde. Die Lippen des Mannes waren raue, schmutzige Krusten, und er weinte ohne Tränen, als sie ihm eine Schale Wasser in den Mund gossen. Cabera betastete das aufgedunsene Fleisch des Beins mit seinen langen Fingern und schüttelte schließlich den Kopf. Er trat neben Julius.
»Es ist brandig und hat bereits seine Leiste erreicht. Es ist zu spät, um es abzunehmen. Ich kann versuchen, die Schmerzen zu lindern, aber ihm bleibt nicht mehr viel Zeit.«
»Kannst du ihm nicht … die Hände auflegen?«, fragte Julius den alten Mann.
»Es ist zu spät, Julius. Eigentlich müsste er schon tot sein.«
Julius nickte bitter und resigniert, nahm seinen Männern die Schale ab und half dem Mann, sie an die Lippen zu führen. Die dürren Finger zitterten zu stark, um sie ruhig halten zu können, und als Julius einen von ihnen berührte, schrak er fast vor der Hitze des Fiebers zurück, die durch die straffe Haut brannte.
»Verstehst du mich?«, fragte er.
Der Mann versuchte zu nicken, während er nippte, und verschluckte sich fürchterlich. Die Anstrengung, die an seiner letzten Kraft zehrte, ließ ihn krebsrot anlaufen.
»Kannst du mir erzählen, was passiert ist?«, drängte Julius und versuchte ihn mit reiner Willenskraft zum Atmen zu zwingen.
Endlich endeten die Krämpfe, und der Mann ließ erschöpft den Kopf auf die Brust fallen.
»Sie haben alle getötet. Das ganze Land steht in Flammen«, flüsterte er.
»Ein Aufstand?«, fragte Julius schnell. Er hatte fremde Eindringlinge vermutet, die ein paar Küstenstädte verwüstet hatten, ehe sie sich wieder auf ihre Schiffe zurückzogen. Das geschah nur allzu oft in diesem Teil der Welt. Der Mann nickte und deutete mit zitternden Fingern auf die Schale mit dem Wasser. Julius
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