Imperator 02 - König der Sklaven
sie uns auch schon an. Meine Frau wurde am Ende getötet, und meine Töchter aus dem Zelt gezerrt und ermordet. Meine Jüngste war erst vierzehn; sie haben ihr das Genick gebrochen, ehe sie ihr die Kehle durchschnitten.«
Lucius spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich, während er zuhörte. In den langsamen Bewegungen des Mannes lag eine derartige Intensität, dass er fast einen Schritt in die Arme seiner Soldaten zurückgewichen wäre. Er hatte die Geschichte bereits bei seiner Ankunft gehört, aber dieser ruhigen Stimme zu lauschen, die von den selbst erlebten Gräueln erzählte, ließ ihn frösteln.
Mithridates sah Lucius an und deutete mit dem Finger auf die Brust des jüngeren Mannes.
»Genau da, wo du jetzt stehst, habe ich gekniet, gefesselt und geschlagen, von einem Kreis Legionäre umgeben. Ich dachte, sie würden mich auf der Stelle töten, und ich habe mich darauf gefreut. Ich hatte meine Familie schreien gehört, verstehst du, und ich wollte mit ihnen gehen. Ich weiß noch, wie es zu regnen anfing. Der Boden war völlig durchweicht. Manche aus meinem Volk sagen, der Regen, das seien die Tränen der Götter, hast du das schon einmal gehört? Damals habe ich es verstanden.«
»Ich bitte dich …«, sagte Lucius, der nur noch davonreiten und nichts mehr hören wollte.
Mithridates ignorierte ihn, oder Lucius war nicht durch seine Erinnerungen bis zu ihm vorgedrungen. Manchmal hatte es den Anschein, als hätte er die Anwesenheit der Römer vollkommen vergessen.
»Ich sah Sulla heranreiten und vom Pferd steigen. Er trug die weißeste Toga, die ich jemals gesehen habe. Du musst bedenken, alles andere war voller Blut und Schlamm und Dreck. Er sah … von allem vollkommen unberührt aus, und das …« Er schüttelte sacht den Kopf. »Das war das Merkwürdigste, was ich je gesehen habe. Er erzählte mir, die Männer, die meine Frau und meine Kinder umgebracht hatten, seien hingerichtet worden, wusstest du das? Er hätte sie nicht hängen müssen, und ich habe nicht verstanden, was er damit bezweckte, bis er mich vor die Wahl gestellt hat: weiterleben und nie wieder die Waffen erheben, solange er lebte, oder in diesem Augenblick durch sein Schwert zu sterben. Ich glaube, wenn er mir das mit den Männern, die meine Mädchen umgebracht hatten, nicht erzählt hätte, hätte ich den Tod gewählt, aber ich habe die Chance angenommen, die er mir gewährte. Es war die richtige Entscheidung. So konnte ich wenigstens meine Söhne wiedersehen.«
Mithridates drehte sich zu den Männern um, die ihn begleitet hatten, und lächelte sie an. »Hoca hier ist der Älteste, aber Thassus kommt mehr nach seiner Mutter, finde ich.«
Lucius trat einen Schritt zurück, als ihm klar wurde, was Mithridates da sagte.
»Nein! Sulla hat nicht … das kannst du nicht tun!« Er verstummte, als plötzlich aus allen Richtungen Männer erschienen. Sie kamen über die Kämme der Hügel und aus den Wäldern, in denen sich laut Mithridates die römischen Bogenschützen versteckt hatten. Pferde kamen herangedonnert und hielten in der Nähe der Legionäre, die ausnahmslos ihre Schwerter gezogen hatten und grimmig und ohne Panik auf das Ende warteten. Dutzende von Pfeilen wurden auf sie gerichtet und warteten auf das Kommando.
Voller Angst ergriff Lucius den Arm des Mithridates.
»Das ist doch Vergangenheit!«, rief er ohne Hoffnung. »Ich bitte dich!«
Mithridates packte ihn bei den Schultern und hielt ihn fest. Sein Gesicht war vor Zorn verzerrt.
»Ich habe mein Wort gegeben, nicht die Waffen zu erheben, solange Cornelius Sulla lebt. Jetzt ruhen meine Frau und meine Töchter unter der Erde, und ich werde mir das Blut holen, das man mir schuldet!«
Mit einer Hand griff er hinter sich, zog einen versteckten Dolch hervor, hielt ihn Lucius an die Kehle und zog die Klinge mit einer raschen Bewegung quer darüber.
Die Legionäre starben innerhalb von Sekunden, von Pfeilen durchbohrt, ohne selbst auch nur einen Hieb landen zu können.
Sein jüngster Sohn berührte Lucius’ Leiche mit dem Fuß und machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Das war ein gefährliches Spiel, mein König«, sagte Thassus zu seinem Vater.
Mithridates zuckte die Achseln und wischte sich Blut aus dem Gesicht.
»An diesem Ort gibt es Geister, die wir lieben. Ich habe es für sie getan. Und jetzt gebt mir ein Pferd und ein Schwert. Unser Volk hat viel zu lange geschlafen.«
13
Julius saß in der Dunkelheit der Schenke und legte die Finger um den ersten
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