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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Kracht
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würde mit Sicherheit seinen Landsleuten kein Pflanzenfett liefern, damit sie darin ihr sonntägliches Beefsteak brutzelten).
    Den Öl-Veredelungsprozeß bezahlte Engelhardt noch aus eigener Tasche (vielmehr auf Kredit der immer noch mehr oder weniger unergründlich lächelnden Queen Emma), eine gewissermaßen doppelte finanzielle Vorleistung; eines Tages würde das Kabakon-Öl, welches sich bereits in Dutzenden von Holzkisten verpackt in der Forsayth-Faktorei stapelte, schon seine Abnehmer finden.
    Engelhardt hatte zu diesem Zweck schon einige vielversprechende Kontakte in Australien geknüpft, wenn auch die Briefe, die er nach Darwin, Cairns und Sydney entsandt hatte, wie es Werbesendungen in aller Welt widerfuhr, kurz überflogen und dann, gestapelt, in der Mitte durchgeschnitten und als rauhes Toilettenpapier wiederverwendet wurden, seine Briefe im Besonderen auf dem Personalabort der Assessorstube einer Kupfer- und Bauxitmine unweit von Cairns.
    Die Schriften, die in Engelhardts zwar durchaus gewähltem, jedoch etwas ungelenkem Englisch von den wohltuenden, überaus vorteilhaften und vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten seines Kabakon-Kokos-Öls kündeten, dienten den Besuchern jener australischen Toilette nur bedingt als eine das Geschäft begleitende Leseunterhaltung, waren sie doch an gerade denjenigen Stellen, die ein freies Lesen in ganzen Sätzen ermöglicht hätten, durch den Schnittvorgang getrennt worden. Mit den Hunderten von ähnlichen Werbesendungen neu zusammengelesen, ergaben sie so freilich keinen wirklichen Sinn mehr. So wanderten seine Briefe, nur flüchtig überflogen, sinnentleert, zusammengeknüllt und mit Unrat verschmiert in einer Sickergrube des gigantischen, fast menschenleeren Kontinents im Süden, den Engelhardt während der Zeit, die ihm noch im Schutzgebiet blieb, einmal wohlwollend besuchte, dessen soldatische und grobe, meist trunkene Einwohner ihn aber abstießen, so daß er bereits nach anderthalb Wochen ein Dampfpostschiff bestieg, um nach Neupommern zurückzufahren.
    Der erniedrigende Umstand des Verbleibs seiner Werbeschriften blieb Engelhardt verborgen, hätte er es erfahren, dann wäre er wohl kaum nach Cairns aufgebrochen; auch konnte er nichts von dem großen Unglück ahnen, das später als der Erste Weltkrieg bezeichnet wurde. So blieb es bei einer Vorahnung, die Engelhardt befiel, als er durch die Gassen jener queensländischen Goldgräber Stadt schlenderte.
    Folgendes war ihm widerfahren: Die hölzerne Tür einer Schankwirtschaft war aufgestoßen worden, und ein bärtiger Farbiger, ein pazifischer Insulaner offensichtlich, war rücklings, noch im Stürzen einen stumpfen, grunzenden Schrei ausstoßend, auf die Staubstraße gefallen. Der Schwarze drehte sich qualvoll um und kroch auf Engelhardt zu, sodann folgte ihm ein Pulk weißer Australier aus dem Lokal, die ihn auf abstoßende Weise mit Fußtritten bearbeiteten, bis jener, der sich der brutalen Schläge der Männer kaum erwehren konnte, blutend und hustend und bewegungslos, mit einem ausgestreckten Arm vor Engelhardt liegenblieb. Sich daran erinnernd, daß er selbst einmal so geschlagen worden war, an jenem Strand im Ostpreußischen, kniete er sich nun hin und versuchte, das Opfer an den Schultern hochzuheben, doch die fast bis zur Entmenschlichung betrunkenen Weißen stießen ihn grob zurück und riefen nigger-lover! und andere Unflätigkeiten.
    So solle man doch nicht mit einem Menschen umgehen, erboste sich Engelhardt, und mit einem Mal wuchsen ihm Flügel des Mutes, und er richtete sich auf, eine schmächtige, klapprige Figur gegen sechs oder sieben rauhe Goldwäscher. Einer bemerkte nun seinen deutschen Akzent, nannte ihn dirty hun und hob die Fäuste, ihn ebenfalls zu verprügeln. Ein anderer hielt diesen mit den Worten zurück, es gäbe ohnehin bald Krieg zwischen Edward und dem Kaiser, da werde man sie schon Mores lehren, die schmierigen Deutschen. Dann zogen sie ab, patriotische Lieder grölend, zurück an die Schanktheke der Kantine, dessen Wirt, wie es damals im Australischen üblich war, den Branntwein mit Schwarzpulver und Cayennepfeffer verschnitten hatte, um einerseits die Wirkung des Alkohols zu verstärken und andererseits eine feurige Irrspur über den abscheulichen Geschmack seines Fusels zu legen.
    Aha, dachte sich Engelhardt. Und machte sich, nachdem er dem verletzten Farbigen ein paar Schillinge in die noch immer ausgestreckte Hand gelegt hatte, auf den Rückweg in das im ersten Stock eines

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