In angenehmer Gesellschaft
Spannung löste sich, und sie lachte.
»Was noch?« fragte ich.
Ihre Augen leuchteten. »Dann ein ganz besonderes Gericht, das Vater erfunden hat, als ich noch sehr klein war, und wir alle drei auf Cap Ferrat wohnten.«
»Und was war das?«
»Er hat gesagt, es sei nach unserem Haus dort genannt worden: Bœuf à la manière de Mas Domini.«
»Ach nein!« sagte ich und war wütend. »Hat er gesagt, er habe das erfunden?«
Sie lächelte. »Ich glaube, er hat gesagt, ihr beide hättet es zusammen ausgearbeitet.«
»Wie nett von ihm!«
Sie rückte ein bißchen näher zu mir. »Vater hat mir das Haus genau beschrieben — es muß bezaubernd gewesen sein.«
»Das war es. Außerdem wimmelte es von Ameisen.«
»Aber ihr habt viel Spaß dort gehabt!«
»Ja«, sagte ich. »Wir haben uns aber auch wütend gezankt und uns alle möglichen Sachen an die Köpfe geworfen.«
Sie lachte glücklich. »Ich weiß. Er hat es mir erzählt.«
»Und das klang auch bezaubernd?« sagte ich scharf.
»Es gehört mit dazu.«
»Nein! Auch in der Erinnerung sind Zankereien nicht bezaubernd.«
Sie sah verwirrt aus. »Habt ihr auch so gezankt wie ich eben mit Roger?«
»Viel ausgeklügelter. Wir hatten große Übung darin.«
»Aber ich bin doch nicht zanksüchtig, Mutter! Was war heute mit mir los?«
Sie war mein Kind; wir waren allein; und es war die passende Zeit, ihr die Wahrheit zu sagen. »Den Symptomen nach leidest du an einem ziemlich heftigen Anfall von Pogo Poole.«
»Oh?«
»Ein häufig vorkommendes Übel bei Frauen, aber nicht lebensgefährlich.«
Sie lächelte. »Ist es sehr ansteckend?«
»Ich habe erlebt, daß es auf Gesellschaften wie ein Waldbrand sämtliche Frauen gepackt hat. Und ich bin in dieser Frage eine Autorität — ich habe selbst den schwersten Anfall davon gehabt.«
»Und bist darüber hinweggekommen«, stellte sie fest.
»Ich danke Gott dafür!«
Sie lachte, als ob ich Spaß machte.
Nach einem Augenblick sagte sie: »Mein ganzes Leben lang habe ich Vater mit einem Glorienschein umgeben, habe ihn für den amüsantesten, bezauberndsten, aufregendsten Mann der Welt gehalten. Und als er jetzt kam, bin ich nicht enttäuscht und nicht ernüchtert worden.« Sie sah mich herausfordernd an. »Das ist doch nichts Schlimmes!«
Ihr Vater! Es war so rührend und unschuldig, daß ich es nicht fertigbekam, ihr zu widersprechen. »Nein. Ich freue mich, wenn du ihn lieb hast. Besonders jetzt.«
»Weshalb besonders jetzt?«
»Weil er immer Menschen ganz für sich braucht, und das scheint ihm augenblicklich zu fehlen. Er ist viel mehr von anderen abhängig, als er je zugeben würde.«
»Und die Zeit ist sein Feind geworden.«
»Wie kommst du darauf?« fragte ich verblüfft.
»Er hat es selbst gesagt. Die Zeit liefe ihm davon, oder so ähnlich.«
»Ich hätte nicht gedacht, daß er es zugeben würde. Aber es ist wahr. Es wird immer schwieriger für ihn, auf das Matterhorn zu klettern, über den Hellespont zu schwimmen und drei Frauen zu gleicher Zeit in sich verliebt zu machen.«
Traurig sagte sie: »Und je älter er wird, desto schlimmer wird es.«
»Nun weine jetzt nicht schon über sein Greisenalter!« sagte ich. »Er hat noch ein paar gute Jahre vor sich.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Mein Vater! Mein armer alter Vater! Ganz allein auf der Welt! — Sie flüsterte: »Er müßte jemand haben, der ihm das Leben warm und behaglich macht — jemand wie dich!«
»Für seine alten Tage! Mich?« Ich sagte es so heftig, daß sie kichern mußte. »Nein. Ich denke nicht daran! Außerdem hat er schon jemanden gefunden.«
Aufgeregt beugte sie sich zu mir herüber. »Wen?«
Ich glaube, sie rechnete damit, daß ich Nancy Clark oder ihre Kusine Wendy nennen würde.
Ich sagte: »Dich!«
»Oh!«
»Seine neu entdeckte Tochter«, sagte ich. »Es ist, als ob du jetzt erst für ihn geboren worden bist, aber gleich voll erwachsen. Er ist begeistert von dem, was er da hervorgebracht hat. Du bist sein neuestes Spielzeug!«
Sie richtete sich auf, stellte die Füße auf den Fußboden und zog sorgfältig ihren Rock glatt. Dann sagte sie traurig: »Ich wünschte, er wäre fünf Jahre früher gekommen!«
»Du meinst, ehe Roger auf der Bildfläche erschien?«
»Ja.«
»Das wünschte ich auch, in aller Interesse. Aber das hat er verpaßt. Du bist vergeben. Das mußt du einsehen!«
Zögernd sagte sie: »Ja.«
Ich war erleichtert. Sie nahm die Umstände hin, wie sie nun einmal lagen. Sie war Biddeford Pooles
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