In besten Kreisen
gleichzeitig – jedenfalls in Kates vielleicht überempfindlicher Wahrnehmung – zu fürchten, ihr kollegiales Verhalten ihm gegenüber könne zu unüblichen und unwillkommenen Vertraulichkeiten führen. Aber Reed hielt sich zu ihrer Erleichterung im Hintergrund, und sie richteten ihre Fragen zumeist an Cunningham, gelegentlich aber auch an alle Anwesenden.
Kate hatte den Eindruck, daß man ihr, falls sie das Wort ergreifen sollte, mit versteckter, aber respektvoller Ermutigung zuhören würde.
»Ich nehme an, Ihre Kollegen gehen draußen nach den gewohnten Regeln vor«, sagte Cunningham und trat ans Fenster. »Haben sie die Leiche gefunden?« »Ja, danke. Sie werden draußen länger beschäftigt sein. Danach werden sie – mit Ihrer Erlaubnis – hereinkommen. Dürfte ich darum bitten, die Waffe zu sehen und den jungen Mann, der geschossen hat, namens« – er sah in sein Notizbuch – »William Lenehan? Dann können meine Leute mit den ballistischen Untersuchungen und den Fingerabdrücken beginnen.« Cunningham warf Kate einen fragenden Blick zu. »Das Gewehr liegt auf der hinteren Veranda«, sagte sie. »Ich bin sicher, es ist übersät mit Fingerabdrücken, wenn das der richtige Ausdruck ist.
William spielt draußen mit Leo Basketball. Was Leo betrifft, so…« »Ich bin sicher«, unterbrach sie Cunningham, »daß wir uns wegen Leo keine Sorgen machen müssen. Diese Herren werden mit Leo als Minderjährigem nur in Ihrer Gegenwart und mit Ihrer Erlaubnis sprechen. Vielleicht sollte er hereinkommen, damit er den Abtransport der Leiche nicht bemerkt.« Einer der beiden Männer ging auf das Kopfnicken des anderen hinaus, um die Fingerabdrücke von William und dem Gewehr nehmen zu lassen und Leo hereinzuholen. Er kam nach wenigen Augen-blicken zurück.
»Wer ist eigentlich der Eigentümer dieses Hauses?« fragte der erste Mann, der während der Abwesenheit seines Kollegen Kate erinnert hatte, daß er Stratton hieß. Er wirkte wie einer, der stets mit den einfachen Fragen begann.
»Miss Fansler«, wandte sich Cunningham plötzlich an sie. »Wem gehört dieses Haus?« »Miss oder vielleicht Schwester, oder heißt es eher Mutter Lingerwell.« »Wie bitte?« sagte Mr. Stratton.
»Sie spricht zweifellos von einer Nonne«, sagte sein Kollege.
»Ach ja, natürlich; und in welcher Beziehung stehen Sie zu ihr?« »Vielleicht sollten wir uns setzen«, sagte Kate. »Kann ich Ihnen etwas zu essen oder zu trinken anbieten? Mr. Cunningham fand die Erdbeeren außergewöhnlich…« »Nein, danke«, sagte Mr. Stratton. »Aber auf alle Fälle sollten wir uns setzen. Fahren Sie fort, Miss Fansler.« »Miss Lingerwell – vielleicht nenne ich sie doch einfach so – ist mit mir nicht verwandt. Ich kenne sie auch nicht mehr besonders gut.« »Dann ist sie also lediglich die Hausbesitzerin, von der Sie das Anwesen gemietet haben?« »Also, sehen Sie«, sagte Kate und fühlte sich wie eine unsichere Schwimmerin, die gerade in einen sehr tiefen, sehr kalten Teich gesprungen war, »ich habe das Haus nicht gemietet. Mr. Cunningham, ob ich wohl mit dem Anfang beginnen könnte?« »Und wo ist der Anfang, meine Liebe?« fragte Cunningham.
»Geht es bei Adam und Eva los oder bei der Entdeckung von Amerika, bei der Besiedlung von New England oder bei der Gründung der Stadt Araby…« »Mr. Cunningham.« Mr. Strattons Stimme ließ darauf schließen, daß er das grundsätzliche Problem zu verstehen begann. »Gehe ich recht in der Annahme, daß die Mitglieder dieses Haushalts von Ihnen instruiert worden sind, auf Fragen nur in Ihrer Anwesenheit und nur mit Ihrer Erlaubnis zu antworten?« »So ist Wortlaut und Sinn des Gesetzes, nicht wahr?« »Gewiß. Andererseits…« »Andererseits verstehe ich durchaus Ihren Standpunkt. Sie würden Ihre Untersuchungen lieber ungestört von mir durchführen. Gut, verfahren Sie so, Gentlemen. Ich werde nach Boston zurückkehren und mich wieder meinen eigenen Angelegenheiten zuwenden, von denen mich dieses unglückliche Ereignis abgelenkt hat. Vielleicht sind Sie so gut und lassen mich wissen, ob Sie vorhaben, gesetzlich gegen William Lenehan vorzugehen.« »Er wird sicherlich zu den Anklagepunkten vernommen werden und dann aller Wahrscheinlichkeit nach in Ihre Obhut entlassen – falls Sie den Fall übernehmen, Mr. Cunningham.« »Aber das wird wohl nicht mehr heute geschehen, nehme ich an.« »Ich glaube nicht. Morgen.« »Sehr gut. Ich komme dann zurück, oder ich treffe Sie, was wahrscheinlicher ist, am
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