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in China

in China

Titel: in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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irgendwo in der Autonomen Region Sinkiang.«
    »Chang!« rief er aus. »Arbeitslager!«
    Verdammt, dachte sie und bedauerte zutiefst, daß sie so wenig Zeit hatten und nirgends ungestört waren, es wird ein Weilchen dauern, bis er das verkraftet hat. Der Schock hätte kaum größer sein können, wenn ich ihm verkündet hätte, daß ich vom Mond komme. »Ich bin zum erstenmal in China«, erzählte sie ihm, um ihn abzulenken. »Mit einer Reisegruppe. Wir sind alle ganz begeistert von Xian. Heute morgen haben wir das Dorf Ban-Po besichtigt, und morgen ist der Grabhügel von...«
    Da flackerte ein Lächeln in seinen Augen auf. Sie hatte ihn entschieden unterschätzt. Er konstatierte: »Und da haben Sie mich ausfindig gemacht, um mich zu fragen...«
    »Ich kann mir denken, was in Ihnen vorgeht«, gab sie offen zu. »Wenn Sie mir die
    gewünschte Auskunft geben, könnten Sie dafür im Gefängnis landen. Aber mir kann es ebenso ergehen, weil ich Ihnen diese Frage stelle.«
    Er lächelte ironisch.
    »Ich bin Amerikanerin«, erklärte sie. »Und es ist Amerika, das diese Auskunft braucht.«
    »Amerika«, wiederholte er und ließ das Wort förmlich auf der Zunge zergehen. »Aber was genau erwarten Sie von mir?« Die Ironie in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    Mit tiefem Ernst erklärte sie: »Ich habe gedacht oder vielmehr gehofft - wissen Sie, ich habe heute morgen hier in Xian einen Atlas gekauft, in dem auf Seite achtunddreißig die Provinz Sinkiang abgebildet ist. Warten Sie, ich zeige es Ihnen.« Sie schlug die Seite auf und reichte ihm den Atlas. »Wenn Sie sich entschließen könnten, mir zu trauen, könnten wir vielleicht ein Stückchen miteinander gehen, damit man uns von Ihrem Laden aus nicht sehen kann.
    Hier ist ein Stift.«
    Er sah sie voller Neugier an. Sein Interesse war unverkennbar. Die Ironie war ihm vergangen.
    Er sagte langsam und bedächtig: »Ich werde Sie bis ans Ende der Straße begleiten und Ihnen den Trommelturm zeigen.«
    »Oh, vielen Dank.« Sie atmete erleichtert auf. Dann fügte sie hinzu: »Das ist sehr freundlich von Ihnen.«
    Höflich widersprach er: »Nicht der Rede wert.«
    Während sie so nebeneinander hergingen, betrachtete er die Karte der Provinz Sinkiang. Er tat, als sei sein Blick nur zufällig darauf gefallen. In Wahrheit studierte er die Karte gründlich.
    Mrs. Pollifax sah ängstlich über ihre Schulter zurück. Zum Glück folgten ihnen nur noch ein paar kleinere Kinder, und zwar in ziemlich großem Abstand. Schon fast am Ende der schmalen Gasse angekommen, sah er auf. Ihre Blicke trafen sich. Wortlos und beschwörend blickte er sie an. Er zückte den Stift. Sie rückte näher heran, damit keiner der Passanten etwas von seinem Vorhaben mitbekam.
    »Ich werde immer weitersprechen«, teilte sie ihm mit. Er markierte eine Stelle auf der Karte.
    Ohne ihm zuzusehen, gab sie eine bühnenreife Pantomime zum besten. Lächelnd
    gestikulierte sie. Nach einer Weile klappte er den Atlas zu und drückte ihn ihr in die Hand.
    Sie schob ihn wieder in ihre Handtasche. Sie zog den zweiten Atlas heraus und sagte: »Falls uns doch jemand beobachtet hat...«
    Erstaunt riß er die Augen auf. »Das ist der gleiche Atlas, aber nicht das Exemplar, das Sie mir gerade zurückgegeben haben«, erklärte sie, verneigte sich und reichte ihm den Atlas.
    »Schlagen Sie nur Seite achtunddreißig auf, dann werden Sie es sehen.«
    Er schlug die Seite auf und war sichtlich erleichtert. »Ich möchte Ihnen diesen Atlas gerne schenken«, sagte sie. »Bitte, nehmen Sie ihn an. Schließlich waren Sie so nett, mir den Weg zum Trommelturm zu zeigen.«
    »Dafür daß ich Ihnen den Weg zum Trommelturm gezeigt habe«, wiederholte er und lächelte plötzlich, wobei er eine ganze Reihe metallen überkronter Zähne entblößte. »Und Chang?«
    erkundigte er sich mit unverhüllter Ironie. »Geht es ihm gut?«
    »Ich habe mir sagen lassen, daß es ihm ausgezeichnet geht«, erwiderte sie lächelnd. Erst jetzt kam ihr so richtig zu Bewußtsein, welches Wagnis er auf sich genommen hatte. Sie nahm den Atlas noch einmal an sich und schrieb ihren Namen hinein. »Jetzt wissen Sie auch meinen Namen«, sagte sie. »Und das ist ja auch nur fair. Jetzt bin ich Ihre Geisel und Sie meine.«
    »Aber das wäre gar nicht nötig gewesen«, versicherte er ihr.
    »Wie bitte?« entfuhr es ihr.
    »Ihr ganzes Wesen liegt in Ihrem Blick. Deshalb habe ich es getan«, beruhigte er sie. »Ich halte es für möglich, daß auch Sie den vorgeschriebenen

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