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In dein Herz geschrieben

Titel: In dein Herz geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Duncan Andrea Brandl
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redet von ihrer Mutter. Sie hat gedacht, ihre Mutter kommt zu ihrer Party. Er wusste mit hundertprozentiger Sicherheit, dass Lilah nicht in ein Flugzeug gestiegen war, doch Annie Laurie würde ihm nie im Leben glauben, also würde er anrufen müssen. »Komm, Schatz, wir gehen ins Haus und rufen an. Aber ich bin sicher, Mama geht es gut. Es geht ihr bestimmt gut.« Er sah über die Schulter zu Cassandra, während er Annie Laurie die Treppe hinaufführte. Sie sah so verloren aus, wie sie ganz allein im Vorgarten stand. Er wollte, dass sie mitkam, ins Haus, bei Annie Laurie blieb. Doch sie würde es nicht tun. Sie konnte es nicht tun. Und es war allein seine Schuld.

45
    Boo Radley, der Nachbar aus Wer die Nachtigall stört - genauso kam sie sich vor, als sie im Vorgarten stand und dem Leben anderer Menschen zuschaute. Die Wohnzimmervorhänge waren offen, so dass sie bis in die Küche sehen konnte, wo Hector den Hörer des Wandtelefons in der Hand hatte und mit jemandem redete. Annie Laurie konnte sie nicht sehen, sie wusste aber, dass sie neben ihm stand und alles mitbekam, was immer es war. Es hatte nichts mit ihr zu tun. Es ging sie nichts an. Und er hatte völlig recht. Ein Sommer machte sie noch lange nicht zu einem Mitglied seiner Familie. Es machte sie nicht zu mehr als zu einer Bekannten.
    Sie fuhr zusammen, als Annie Laurie etwas schrie. Was war das - »lass sie«? In der nächsten Sekunde stand Annie Laurie an der Fliegentür. »Ich will mein Geld nicht zurück! Lass sie, Daddy, lass sie einfach!« Und dann kam sie durch die Tür, stürzte an Cassandra vorbei durch den Garten und verschwand in der Dunkelheit.
    Hector kam auf die Veranda gelaufen. »Wo ist sie hin?«
    Cassandra hatte fast Mitleid mit ihm, weil er sogar versucht hatte, in einer solchen Situation auch noch Annie Lauries Geld zurückzuholen. Manchmal fragte sie sich, ob Männer auch nur einen Funken Verstand hatten. Er kam die Treppe herunter und auf sie zu. »Cassandra?«
    Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie ihm lieber eine Ohrfeige verpassen oder noch einmal die Meinung sagen sollte. Aber Annie Laurie brauchte sie beide jetzt. Nein, dachte sie, nicht sie beide, sondern sie allein. Annie Laurie brauchte sie, egal was Hector sich dabei dachte. »Ich suche sie.«

    »Ich komme mit.«
    »Nein! Du wartest hier, bis ich sie zurückbringe.« Sie zögerte. In Wahrheit interessierte sie sich nicht für dieses Miststück Lilah, sondern fragte lediglich Annie Laurie zuliebe. »Ich nehme an, deiner Frau geht es gut?«
    »Sie ist genau dort, wo ich sie vermutet habe. Zu Hause, mit ihrem aktuellen Freund.«
    Unfassbar, dachte Cassandra, wandte sich ab und ging durch den Garten in die Richtung, in die Annie Laurie gelaufen war.
    Hätte sie einen Funken Verstand im Leib, würde sie zurückgehen und eine Taschenlampe holen. Schlimm genug, bei Nacht einen Friedhof zu betreten. Aber sie konnte Annie Lauries Weinen hören und wollte nicht unnötig Zeit verlieren. Mittlerweile hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und die silberne Mondsichel spendete genug Licht, so dass sie die Grabsteine ausmachen konnte. Sie streckte die Hände aus, falls sie stürzen oder gegen etwas stoßen sollte. Bitte, lieber Gott, dachte sie, lass keine herumirrenden Geister außer mir und Annie Laurie heute Abend hier sein.
    »Annie Laurie?« Das Weinen hörte auf, und Cassandra wartete. »Annie Laurie, ich bin’s, Cassandra.« Sie hörte ein Rascheln hinter den Hortensiensträuchern. »Du kannst rüberkommen«, sagte Annie Laurie.
    Der jammervolle, verlorene Tonfall brach Cassandra das Herz. Sie trat um die Büsche herum und fand Annie Laurie mit dem Rücken gegen Dolls Grabstein gelehnt auf dem Boden sitzend vor. Sie saß auf der verkehrten Seite, aber wen kümmerte das schon? Nur eine weitere alberne Regel, die irgendwelche Leute aufgestellt hatten. Sie setzte sich neben sie und lehnte sich zurück. Eine Zeit lang saßen sie da, ohne zu reden, nur Annie Laurie schniefte von Zeit zu Zeit.
    Nach einer Weile legte Annie Laurie den Kopf auf Cassandras Schulter. »Ich wünschte, ich hätte dich zur Mutter.«

    »Ach, Schatz.« Cassandra legte den Arm um Annie Laurie. »Ich wünschte auch, ich wäre deine Mutter«, hätte sie am liebsten erwidert, aber das konnte sie nicht. Annie Laurie hatte eine Mutter. »Süße«, sagte sie stattdessen, »ich hätte dich so gern als Tochter. Wirklich.« Sie musste innehalten und sich sammeln, um nicht in Tränen auszubrechen. »Aber

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