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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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dass mir eine Träne übers Gesicht rann.
    »Tut das weh?«, flüsterte Rachel und ließ los.
    Ich schüttelte heftig den Kopf, ballte die Fäuste vor der Brust. »Ich hab dich nur so lieb und das macht mich … macht mich …«
    »Zu einem Wolf«, sagte Rachel. »Schon klar.« Sie wischte sich mit dem Handrücken die Nase. »Diesen Effekt hab ich nun mal auf die Leute.«
    Ich versuchte, noch etwas zu sagen, doch ich verlor den Halt. Die Sterne funkelten über mir und ich erinnerte mich noch an eine andere Nacht: Sam und ich unter dem Sternenhimmel, als wir das Nordlicht bewunderten. In meinem Kopf wurden die rosa Lichter der Aurora borealis zu den Lichtern im Armaturenbrett des Bronco, die sich in jeder Scherbe der geborstenen Windschutzscheibe spiegelten. Dahinter Sam und ich, unser Abschied, und plötzlich war nur noch ich übrig, in Stücke zerbrochen, zerschmettert wie Glas, und wurde zu etwas Neuem.

KAPITEL 60
SAM
    Es war seltsam beunruhigend, auf diese Weise eine Nacht mit Grace zu verlieren – ihre Verwandlung aus heiterem Himmel, weit weg von mir. Nachdem ich Rachel bei sich zu Hause abgesetzt hatte, wollte ich sie suchen gehen, aber Cole überzeugte mich davon, dass es keinen Sinn hatte; sie würde sowieso vor mir weglaufen, und wenn sie sich in der Nähe des Hauses ihrer Eltern zurückverwandelte, wüsste sie wenigstens, wo sie war. Ich glaubte nicht, dass ich ohne sie würde einschlafen können, aber nachdem Cole mir verboten hatte, an die Stelle zurückzufahren, wo Rachel sie das letzte Mal gesehen hatte, legte ich mich hin, starrte hoch zu meinen Papiervögeln und der Lichterkette und tat so, als würde ich nur darauf warten, dass Grace endlich ins Bett kam. Ein langer Tag lag hinter mir, und als es meinem Kopf irgendwann zu viel wurde, alles, was passiert war, zu verarbeiten, fand mich auch der Schlaf.
    Im Traum lief ich durchs Haus, wanderte von Zimmer zu Zimmer. Alle waren leer, aber es war eine ausgefüllte, lebendige Leere, so als stünde, wenn ich mich umdrehte, jeden Moment irgendjemand hinter mir. Das Haus wirkte bewohnt – und zwar nicht bis vor Kurzem noch, sondern gegenwärtig – und es war, als wären seine Bewohner nur kurz nach draußen gegangen, um nachzusehen, wie das Wetter war, und würden gleich wieder zurückkommen. Die einzelnen Schlafzimmer wiesen deutliche Spuren von Leben auf: Auf jedem Bett lag ein Koffer oder ein Rucksack voller Kleidung, ein Paar Schuhe sorgfältig danebengestellt, persönliche Dinge, bereit für den Aufbruch. Auf Ulriks Bett sah ich seinen Laptop und seinen Rasierapparat. Bei Paul einen Haufen Gitarrenplektren und ein paar gebrannte DVDs, mit Filmen, von denen ich noch nie gehört hatte. Selbst in dem Zimmer mit den Etagenbetten lagen Sachen herum: Dereks Kopfhörer, die Kabel verknotet, auf seiner Kamera, und Melissas Skizzenbuch neben ihren Schuhen. Nur Becks Bett war leer.
    Ich ging von Raum zu Raum und schaltete überall das Licht aus. Nahm Abschied von Becks Zimmer, das nie richtig bewohnt gewesen war. Nahm Abschied von Ulriks Zimmer, wo wir auf seinem Laptop immer Horrorfilme geguckt hatten. Ich wanderte weiter nach unten, ohne noch einmal in mein Zimmer zu gehen. Nahm Abschied vom Wohnzimmer, wo ich einst mit Grace auf der Couch gesessen hatte, schon fast ein Wolf, wo Isabel geholfen hatte, Coles Krampfanfall zu beenden. Ich schaltete das Licht aus. Nahm Abschied von dem gelben Zimmer, in dem Cole gelebt hatte und Jack gestorben war. Ich schaltete das Licht in dem Badezimmer aus, das ich zehn Jahre lang gemieden hatte. Nahm Abschied von der Küche, mit den Fotos von uns an jedem Schrank, eintausend Lächeln, jedes einzelne davon ehrlich. Ich schaltete das Licht aus und ging in den Keller.
    Und hier, in Becks Bibliothek, umringt von Büchern, fand ich die Sachen, die oben in seinem Zimmer gefehlt hatten; sein Koffer und seine Schuhe standen auf dem Fußhocker seines Lesesessels. Daneben lagen eine Krawatte, ordentlich zusammengefaltet, und eine CD mit verschlungenen Zweigen auf dem Cover. Der Titel war auf die einzige freie Stelle gekritzelt: Still Waking Up.
    Rings um mich war Beck, er lebte in all diesen Büchern, die er gelesen hatte. Er bewohnte jede einzelne Seite. Er war jeder Held, jeder Schurke, jedes Opfer und jeder Angreifer. Er war der Anfang und das Ende von allem.
     
    Die letzte aller Türen
     
    Doch nie hat man
    an alle schon geklopft.
     
    Dies war der endgültige Abschied. Ich schaltete das Licht aus.
    Nun blieb nur noch ein

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