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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Isabel, als hätte ich sie angeschrien. »Dann erzähl’s ihr doch. Aber jammer mir hinterher nicht die Ohren voll, wenn sie mit der Wahrheit nicht klarkommt.« Sie lachte, über einen Witz, den wohl nur sie verstand, und fuhr dann fort: »Aber dann würde ich ihr zumindest nur erzählen, dass du noch lebst, nicht die ganze Wolfsgeschichte. Wenn du überhaupt vorhast, auch nur ein bisschen auf mich zu hören, natürlich.«
    »Ich höre immer auf dich. Außer dann, wenn ich es nicht tue.«
    »Ah, da ist ja endlich die alte Grace. Schon besser. Ich dachte schon, du wärst zur kompletten Langweilerin mutiert.«
    Ich lächelte vor mich hin. Mehr Gefühl durfte man sich von Isabel nicht erwarten. Dann fiel mir noch etwas anderes ein.
    »Könntest du mir einen Gefallen tun?«, bat ich Isabel.
    »Nimmt das denn nie ein Ende?«
    »Ich weiß nicht, wie ich es sonst rausfinden soll. Ich weiß noch nicht mal, ob du es kannst, ohne dass irgendwer Verdacht schöpft. Aber wenn es jemand kann, dann du.«
    »Immer her mit den Komplimenten, Grace. Denk dran, viel hilft viel.«
    »Du hast außerdem total schöne Haare«, sagte ich und sie lachte ihr hartes Lachen. »Ich will nur wissen, ob ich immer noch meinen Abschluss machen könnte, wenn ich den Sommer über Kurse belegen würde.«
    »Müsstest du dafür nicht ein Mensch sein? Nicht dass ich bei ein paar von diesen Amöbenhirnen, die da rumhocken, in dieser Hinsicht nicht auch meine Zweifel hätte.«
    »Ich arbeite dran«, sagte ich. »Ich denke, ich könnte das hinkriegen. Wenn ich erst mal wieder aus der Versenkung aufgetaucht bin, meine ich.«
    »Weißt du, was du bräuchtest? Einen guten Anwalt.«
    Darüber hatte ich auch schon nachgedacht. Ich war mir nicht sicher, was das Gesetz von Minnesota zum Thema jugendliche Ausreißer zu sagen hatte, denn als solcher würde ich sicherlich betrachtet werden. Es war so unfair, dass mir diese Geschichte hier womöglich einen schlechten Ruf einbringen würde, aber damit würde ich schon irgendwie klarkommen. »Ich kenn da so ein Mädchen, deren Vater ist einer.«
    Jetzt lachte Isabel richtig. »Okay, ich find’s für dich raus«, versprach sie. »Typisch du, dir Sorgen über deinen Schulabschluss zu machen, während du dich in deiner Freizeit in eine andere Spezies verwandelst. Wie erfrischend, dass sich manche Dinge wohl niemals ändern. Du Streberin. Musterschülerin. Schoßhündchen der Lehrer. Haha, Schoßhündchen, kapiert? Weil du doch jetzt ein Wolf bist und so.«
    »Ich lach mich tot. Schön, dass wenigstens du dich amüsierst«, sagte ich gespielt beleidigt.
    Isabel lachte wieder. »Ganz meine Meinung.«

KAPITEL 39
SAM
    Diesmal bedeutete Koenig mir, mich auf den Beifahrersitz des Polizeiwagens zu setzen. Unter der unermüdlichen Aufmerksamkeit der Sonne hatte sich der Wagen aufgeheizt und Koenig drehte die Klimaanlage voll auf. Sie war so kalt eingestellt, dass mich ständig kleine Tröpfchen Wasser im Gesicht trafen. Aber der Wolf, der immer noch irgendwo in mir stecken musste, regte sich nicht. Es roch nach Reinigungsmittel mit Kiefernduft.
    Koenig schaltete das Radio ab, aus dem Siebzigerjahrerock drang.
    Ich stellte mir vor, wie Culpeper von einem Hubschrauber aus meine Familie erschoss.
    Das einzige Geräusch im Auto war das gelegentliche Rauschen des Funkgeräts an Koenigs Schulter. Mein Magen gab ein unüberhörbares Knurren von sich und Koenig griff an mir vorbei und zog an der Klappe des Handschuhfachs, sodass sie offen auf meine Knie fiel. Darin lagen eine Schachtel Cracker und zwei Schokoriegel.
    Ich wählte die Cracker. »Danke«, sagte ich. Er hatte sie mir nicht auf eine Weise angeboten, bei der es mir hätte unbehaglich sein müssen, meine Dankbarkeit zu zeigen.
    Koenig blickte mich nicht an. »Ich weiß, dass Heifort falschliegt«, erklärte er. »Ich weiß, was der gemeinsame Faktor ist, und du bist es nicht.«
    Ich bemerkte, dass er nicht in Richtung Buchhandlung abgebogen war. Wir fuhren nicht in die Innenstadt von Mercy Falls, sondern in die entgegengesetzte Richtung.
    »Was ist es dann?«, fragte ich. Eine erwartungsvolle Spannung hing in der Luft. Er hätte Beck antworten können oder der Boundary Wood oder alles Mögliche. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er das nicht tun würde.
    »Die Wölfe«, sagte Koenig.
    Ich hielt die Luft an. Die verzerrte Stimme einer Polizistin aus der Zentrale meldete sich rauschend über das Funkgerät. »Einheit Siebzehn?«
    Koenig drückte einen Knopf und drehte

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