In deiner Hand
Lucinda. Lucinda Farmer. Ich bin Brians Ehefrau!“
Sie lächelte, während sie das sagte.
Was auch immer ich erwartet hatte, das war es nicht.
Mir klappte der Unterkiefer runter und ich starrte sie an wie ein Reh einen heranrasenden Sattelzug. Gemeinsame Erinnerungen an Brian schossen mir durch den Kopf. Küsse, Umarmungen und die Tatsache, dass er mir seine Gefühle offenbarte. Der Fakt, dass ich ausgerechnet Erik gestanden hatte, wohl in Brian verliebt zu sein.
Und dann roch ich Blut, spürte den wilden Herzschlag eines Menschen, schmeckte das Adrenalin, dass durch dessen Adern heizte, auf meiner Zunge. Meine aufgewühlten Gefühle wichen einer seltsamen Leere in mir, die für nichts anderes mehr Raum bot.
Meine ganze Gefühlswelt erstarrte. Ich spürte nichts, nicht einmal den Schlag meines Herzens. Als stünde ich in einem großen Bottich und jemand goss ganz langsam Eiswasser hinein, so kroch die Kälte meinen Körper hinauf.
Lucinda beobachtete mich ganz genau. Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, als die Kälte meine Hüfte erreichte und unaufhaltsam weiter nach oben stieg. Ich hörte meinen schnellen, unnormalen Atem. Wie aus dem Nichts erfüllte er mich mit hemmungsloser Gier, der Wunsch zu töten! Ich wollte ihr Blut an die weißen Fliesen spritzen sehen, ihre Schreie hören, das Brechen ihrer Knochen und das reißen ihrer Haut, wenn ich ihr ganz langsam den verdammten Schädel von den Schultern zog.
Lucinda wurde weiß wie die Wand hinter sich, was mich ungemein freute.
„Verry …“, rief sie panisch und streckte die Arme aus. Was sie danach sagte verstand ich nicht. Allerdings spürte ich die Worte wie Wärmepflaster auf meiner Haut, die sich so stark erhitzten, dass sie die Kälte regelrecht verdampften. Mein heftiger Herzschlag war das Einzige, das ich noch bewusst wahrnahm. Er erfüllte mich mit wildem, lautem Dröhnen und bereitete mir boshafte Kopfschmerzen. Um mich herum verschwammen die Konturen zu grellem Weiß.
„Verry?“
Ich fand mich auf dem Bett wieder, als ich die Augen öffnete. Dass ich das Bewusstsein verloren hatte, musste mir entgangen sein. Die Frau mit den weinroten Augen stand über mich gebeugt da und rief immer wieder einen Namen. Er klang wie ein Lockruf. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich realisierte, dass es mein Name war. Sie atmete erleichtert auf, als ich ihr murmelnd zu verstehen gab, dass sie endlich die Klappe halten solle.
Schweißperlen rannen über ihr makelloses Gesicht und sie zitterte vor Anstrengung. Ich hörte sie „So ein verdammter Vollidiot“ murmeln, dann plumpste sie auf einen Stuhl neben dem Bett und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.
„Bin ich ohnmächtig geworden?“, wollte ich wissen und kämpfte mich über die weiche Matratze zum Bettrand.
„So ungefähr“, flüsterte sie und schüttelte immer noch mit abwesendem Blick den Kopf. Plötzlich schien sie sich dessen bewusst zu werden und drückte den Rücken durch. Wie eine Lady schlug sie gekonnt die Beine übereinander und sah mich an. „Wie fühlst du dich?“
„Seltsam“, stellte ich fest, als ich versuchte mich ebenfalls in eine sitzende Position zu begeben. Irgendetwas war anders. Wie unsichtbare Fesseln, die sich um meine Hand- und Fußgelenke wickelten und sich über mein Kreuz spannten. Es fiel mir schwer mich aufzurichten ohne dieses merkwürdige Ziehen in meinem Rücken zu vermeiden. So als wären meine Körperteile mit einem elastischen Band verbunden, das sich spannte, wenn ich die Arme oder Beine zu weit streckte.
„Du wirst dich daran gewöhnen müssen.“
„Was ist das?“ Mir gefiel das ganz und gar nicht.
Lucinda strich sich ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. „Ein Bann. Das Gift in dir ist zu stark. Es dient zu unserem Schutz.“
„Ein Bann, zu unserem Schutz?“, wiederholte ich wie ein Papagei. Wollte sie mich verarschen?
„Zu unserem, nicht zu deinem!“ Sie sah mir tief in die Augen. „Ich bin mir nicht sicher, ob du auch nur den Hauch einer Ahnung hast, was du bist. Oder besser gesagt, was du sein wirst.“
Ich starrte sie nur an und mein Gehirn weigerte sich, irgendetwas von dem aufzunehmen, was sie da von sich gab.
„Du wirst einsehen müssen, dass du hier im Augenblick die größere Gefahr darstellst. Ich hatte keine Wahl.“
„ICH???“, schnauzte ich aufgebracht und sofort straffte sich das Band in meinem Rücken. Würgend riss ich den Kopf zurück und versuchte mich von den unsichtbaren Fesseln zu befreien. „Was zum Teufel hast
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