In deiner Hand
der Blödsinn?“, murrte ich.
„Atme durch die Nase!“, flüsterte er und senkte den Kopf. Mir blieb keine Zeit mehr, mich über diesen merkwürdigen Satz zu wundern, da spürte ich schon seine Lippen auf meinem Mund. Es war kein Kuss – nicht direkt. Das wurde mir in dem Moment klar, als die ersten Erinnerungen durch meinen Kopf wirbelten. Diesmal ging er erbarmungsloser vor, als am Vormittag in der Stadt. Wie ein Einbrecher riss er die Schränke und Schubladen in meinem Hinterkopf auf, schleuderte all meine Erinnerungen durch die Gegend, kramte hier und dort. Wühlte sich durch einen Berg von Bildern. Der Schmerz hämmerte unnatürlich heftig in meinen Schläfen und ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. Sofort schlang er den Arme fester um mich, drückte mich an seine massige Brust. Er ließ nicht von mir ab und tobte sich in meinem Gehirn aus. Alles was ich je erlebt hatte, ganz gleich ob gut oder schlecht, lag nackt und wehrlos vor ihm, breitete sich unter seiner Macht wie ein Teppich aus, der ihm mein ganzes Leben aufzeigte und auf dem er herum trampelte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er die Mauer ausfindig machen würde, die ich krampfhaft aufrecht zu erhalten versuchte, um damit all die schrecklichen Erlebnisse der letzten zwei Jahre abzuschirmen. Er durfte sie auf keinen Fall sehen! Das würde mich umbringen. Schnaufend zog er sich zurück und funkelte mich böse an. „Zwing mich nicht dazu, dir die Zunge in den Hals zu schieben!“, knurrte er unzufrieden.
„Dann tu es nicht!“, flüsterte ich erschöpft. Mein Schädel dröhnte wie verrückt und ich wagte kaum, ihn zu bewegen, aus Angst, dass er einfach zerspringen könnte.
„Nenn mir seinen Namen!“, zischte Gadget ungehalten und klang dabei wie eine Schlange.
„Das ist mein Leben! Halt dich da raus!“
„Das ist die letzte Warnung, Verry!“
„Was willst du machen, hm? Mich vergewaltigen, damit ich dir seinen Namen verrate?“
„Was denkst du von mir?“ Er klang ehrlich verletzt, was mich mehr verunsicherte als seine Nähe.
„Du bist ein Vampir! Ihr seid doch alle gleich!“ Er knurrte so bösartig, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten und eine eisige Gänsehaut meinen Körper überzog.
„Nenn mir den verdammten Namen!!!“
„Du kannst mich mal! Ich bin schon mit anderen wie dir fertig gew…“ Das Vordringen in mein Gehirn geschah so plötzlich, dass ich gequält aufstöhnte und kaum registrierte, dass er mir wirklich seine Zunge in den Mund schob. Jetzt wurden die Bilder intensiver, die Farben greller. Formen und Konturen alter Erinnerungen, die zuvor noch grau und blass gewesen waren, stachen mit einer Intensität heraus, die meine Synapsen zum Glühen brachte und heftigen Schmerz durch meinen ganzen Körper jagte. Ich sah wie sich Granny liebevoll an ihren Mann schmiegte, ihm das graumelierte Haar zur Seite strich und einen Kuss auf seine Schläfen hauchte. Mum hüpfte kichernd um die Beiden herum, sie war immer noch jung und trug mich auf ihrer Hüfte durch die Gegend. Ihre smaragdgrünen Augen funkelten voller Lebensfreude. In dieser Nacht war Grannys Mann an einem Schlaganfall gestorben. Gadget switchte weiter, kam dem Unausweichlichen immer näher, zu nahe. Es gab kein Zurück mehr. Ich versuchte mich gegen die Flut zu wappnen, doch als er die schwarze Wand einriss, die ich so sorgsam errichtet hatte, damit ich nicht daran zerbrach, zerrten die schrecklichen Bilder mich einfach mit sich. Ich ertrank in einem Strudel aus Gewalt und grausamer Demütigung. Gadget zog sich so schnell zurück, dass ich zur Seite kippte und mit dem Kopf gegen den Kleiderschrank knallte. Doch der Schmerz verblasste im Angesicht der wieder aufgewirbelten Qualen, die wie grelle, stechende Blitze durch meinen Schädel sausten und auf mich einstürzten. Ich rollte mich wie ein Fötus zusammen, versuchte den Bildern so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Mir war bewusst, dass sie mich innerlich zerschmetterten und meine Haut nicht einen einzigen Kratzer aufwies. Doch die Pein war so stark, so gegenwärtig, dass es sich anfühlte, als zerreiße mich ein Tier mit gewaltigen Krallen. Irgendwo hinter mir knurrte Gadget so laut, dass ich befürchtete er würde Mum aufwecken. Die Zähne fest zusammengebissen rappelte ich mich langsam vom Boden auf. Jeder meiner Muskeln war so angespannt, dass ich mich unendlich alt und schwach fühlte. Gadget kauerte in der Ecke neben der Tür, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Sein Atem
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