In Den Armen Der Finsternis
mochte. Diese Frau war geradezu vernarrt in ihr Gras.
Mary ignorierte mich immer noch. Ich dachte an die Mühe, die es gekostet hatte, ihre letzte Ernte zu entsorgen und seufzte. »Jemand hat heute Morgen versucht, mich zu erschießen.«
Rex lachte. »Entzückend. Und nun? Fühlst du dich deiner Mutter jetzt näher?«
Ich schlug zu. Er sackte auf ein Knie und hielt sich das Gesicht. Dann beugte ich mich vor und flüsterte laut und mit schmalzig-süßer Stimme: »Wow! Diese Migräneanfälle setzen dir wirklich mächtig zu, hm?«
»Miststück!«, fauchte Rex.
»Verarsch mich nicht«, flüsterte ich. »Ich will wissen, ob ein Dämon dahintergesteckt hat.«
»Weiß ich doch nicht!«, brauste er auf und erhob sich mühsam. Eine Hand hielt er auf das Gesicht gedrückt. »Aber ich bezweifle es. Die cleveren Dämonen haben allesamt die Stadt verlassen, und kein anderer würde auch nur im Traum eine solche Nummer riskieren. Keiner von ihnen käme damit ungeschoren …« Rex verstummte und starrte mich an. »Sie sind davongekommen?«
»Das glauben sie nur«, erwiderte ich gereizt. Seine Bemerkung über meine Mutter ärgerte mich immer noch. »Wenn es also keiner von euch gewesen ist, wer kommt dann in Frage?«
Das Funkeln in seinen Augen gefiel mir gar nicht. »Aus dem Gefängnis ist kein großer Dämon entkommen, jedenfalls nicht in letzter Zeit. Und nichts, was genug Macht besäße, diesen
Schleier zu durchbrechen, würde versuchen, dich mit einer Kugel aus dem Verkehr zu ziehen.«
Das ahnte ich bereits. Ich hätte den Riss in dem Gefängnisschleier gespürt, wenn ein größerer Dämon als ein Parasit durchgebrochen wäre. »Und vor meiner Zeit? Etwas, das schon vorher hier war?«
»Es gab zwar einige Ausbrüche aus dem äußeren Ring des Schleiers, aber das ist nun schon Jahrhunderte her. Und ich wiederhole mich: Eine Kugel wäre nicht ihr Stil. Viel zu menschlich.«
Dämonen logen nicht. Und selbst wenn der Zombie die Unwahrheit gesagt hätte, ich hätte es an seiner schattigen Aura erkannt, die jedoch vollkommen ruhig und unbewegt blieb.
Ich dachte an Cribari. Die Vorstellung, dass Menschen Jagd auf mich machten, war noch verstörender als die, dass es Dämonen auf mich abgesehen hatten. »Hast du jemals gehört, dass jemand aus meiner Blutlinie Dunkle Mutter genannt wurde?«
»Nein. Aber ihr Miststücke pflanzt euch fort und tötet, mehr nicht. Das allein ist schon ziemlich finster, finde ich.«
»Vorlauter kleiner Parasit«, gab ich zurück. »Ich wette, dir würde dieser Körper nicht mehr ganz so gut gefallen, wenn ihm die Zunge fehlte.«
Seine Aura waberte, obwohl seine Miene wie versteinert blieb. »Netter Versuch. Du fügst Wirten keinen Schaden zu, jedenfalls nicht auf diese Art. Und töten würdest du mich auch nicht, denn das würde doch bedeuten, dass du dein Wort Grant gegenüber brechen müsstest. Du wirst mich nicht einmal exorzieren, weil ich mir einfach einen anderen Wirtskörper suchen würde. Du hast also nichts zu gewinnen, Jägerin.«
»Das werden wir ja noch sehen«, antwortete ich und sah an ihm vorbei zu Mary hinüber, die aufgehört hatte, ihre Pflanzen
zu wässern und mich jetzt mit diesem durchdringenden, weitsichtigen Blick musterte, der sowohl verrückt als auch klar und irgendwie nicht ganz irdisch war: eine Wundertüte für einen verwirrten Geist. Sie trat einen Schritt auf mich zu und streckte mir ihre Hand entgegen.
Auf ihre Handfläche hatte sie mit Tinte eine genaue Abbildung des Medaillons gemalt, das mir Grant erst vor einer Stunde gezeigt hatte. Und auch die Halskette seiner Mutter hatte sie in allen Knoten und Windungen in ihrer verschlungenen Unendlichkeit auf ihre blasse Haut gezeichnet. Mir verschwamm alles vor den Augen, und ich schluckte. Mein Magen brannte, als säße ich mit vollem Bauch in einer Achterbahn.
»Eiserne Herzen kreieren Mörder«, hörte ich sie sagen. Ihre Stimme klang wie aus weiter Ferne zu mir herüber. »All jene, die die Sünde fressen, sind verloren und werden brennen.«
Die Jungs regten sich, und eine Eiseskälte drang mir bis in die Knochen. »Mary«, sagte ich zwar, aber sie schüttelte den Kopf, ballte die Hand zur Faust und presste sie über ihr Herz.
»Wir sind verloren im Labyrinth«, flüsterte sie und schloss die Augen. »Wir sind verloren.«
Dämonen kamen nicht von der Erde, ebenso wenig wie Kometen. Sie waren auf diese Welt gereist, genauso wie die Avatare. Und sogar die Menschen, obwohl ich diese Vorstellung immer noch
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