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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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chinesischer Währung bestand. »Wir sind hier in
Seattle«, sagte ich, »falls Sie sich das gefragt haben. Hier gibt es jede Menge Flugzeuge und Busse.«
    »Hauptsache, ein anderer Kontinent. Ich hätte mehr mitnehmen können.« Fast beiläufig tippte sie sich gegen die Stirn. »Man hübscht sich auf, mischt was in die Drinks und benimmt sich ein bisschen billig. Männer mit viel Geld sehen ja nie allzu genau hin. Sie merken nicht einmal, dass man ihnen ins Gehirn blickt.«
    Wer würde das schon tun? Wenn ich unbemerkt mit den Dämonen auf meinem Körper leben konnte, dann sollte es doch auch ein Kinderspiel sein, mit Psi-Kräften zu leben. »Sie können meine Kreditkarte benutzen, um sich ein Ticket zu kaufen. Wohin auch immer sie wollen.«
    Killy warf mir einen scharfen Blick zu. »Der größte Teil meines Geldes steckt in dieser Bar. Ich kann es Ihnen nicht zurückgeben.«
    Ich hatte nie so lange an einem Ort gelebt, dass mir irgendjemand hätte etwas zurückgeben können. »Das ist nicht nötig. Jedenfalls sollten Sie nicht in diese Angelegenheit hineingezogen werden.«
    Sie starrte mich an, als wäre ich schwachsinnig. Vielleicht war ich das ja auch. Nur gefällt es mir nicht, wenn mich Leute so ansehen. Ich griff in die Gesäßtasche meiner neuen Jeans und zog meine Brieftasche heraus, schnappte mir ohne hinzusehen eine Kreditkarte und warf sie ihr zu.
    »Behalten Sie sie«, erklärte ich. »Schöpfen Sie die Karte bis zum Limit aus, und verbrennen Sie das verdammte Ding dann. Fangen Sie ein neues Leben an, aber verschwinden Sie, solange Sie noch können.«
    »Was …?«, setzte sie an und warf dann einen Blick auf die Karte. »Anne Jovi?«

    »Ich glaube, wir haben noch ein Problem.« Grant war hinter uns aufgetaucht. Ich hatte nicht gehört, wie er den Raum betreten hatte, aber jetzt stand er am Küchentresen und hielt den Telefonhörer ans Ohr. Rex stand neben ihm und beobachtete mich nachdenklich.
    »Was denn?«, erkundigte ich mich zögernd.
    »Wir haben etliche Nachrichten bekommen, von der Polizei und dem Sozialamt.« Grant biss den Kiefer zusammen, etwas Kaltes zuckte durch seine Augen. »Byron ist verschwunden, und Mary auch.«
     
    Zwei Tage. Wir waren zwei Tage fort und nicht erreichbar gewesen. Ein Mann war gekommen und hatte nach dem Jungen gefragt.
    Er sei schon einmal hier gewesen, erzählte einer der freiwilligen Helfer Grant. Ein großer, hagerer Mann, ein Priester, der mit einem italienischen Akzent gesprochen hatte. Er behauptete, Grund zu der Annahme zu haben, dass der Junge missbraucht würde, und er wollte ihm einige Fragen stellen. Beamte vom Sozialamt hatten ihn begleitet wegen eines damit zusammenhängenden Problems. Minderjährige Kinder durften nicht in Obdachlosenheimen für Erwachsene leben.
    Nur hatte Byron das Heim längst verlassen.
    Jetzt stand ich in seinem Zimmer. Es lag im privaten Flügel des Lagerhauskomplexes, der für einige der ständigen Bewohner des Coops reserviert war, für Alleinstehende und Familien, die dringend einen Platz benötigten, eine Art Zuhause. Hier lebten nur eine Handvoll Menschen. Das war ein besonderes Privileg, das Grant nicht jedem bieten konnte.
    Ich war während der letzten drei Monate lediglich einige Male in Byrons Zimmer gewesen. Das Bett war ungemacht und
von Buch- und Papierstapeln umringt. An den Wänden hingen Filmplakate: Herr der Ringe, Hellboy und Blade Runner. Auf dem Boden stapelten sich Kleiderhaufen. Er hatte nicht viel mitgenommen, wenn überhaupt etwas.
    »Die Polizei wurde gerufen, weil Mary Antony angegriffen hat«, sagte Grant ruhig. Er stand in der Tür, das goldene Medaillon blitzte an seiner Brust. »Sie hat versucht, ihm die Augen auszukratzen.«
    Ich strich mit den Fingern über Byrons Pullover. »Wann ist das passiert?«
    »Heute früh. Seitdem hat die beiden niemand mehr gesehen.«
    Ich nickte und kaute auf der Innenseite meiner Wange. Cribari war zwar in einem üblen Zustand gewesen, aber dennoch … Und China war nur Sekunden entfernt, wenn man jemanden kannte, der eine Abkürzung durch den Raum wusste. »Will dich die Polizei verhören?«
    »Irgendwann ja. Aber noch sind sie nicht hier.« Grant hielt mir seine Autoschlüssel über die Schulter. »Du fährst.«
    Wir verließen das Coop. Die Sonne wärmte mein Gesicht. Ich sah niemanden, der uns beobachtete, und auch die Jungs blieben ruhig. Dennoch konnte ich mich nicht entspannen. Wir hatten uns nur Zeit geliehen. Alles drohte auseinanderzufallen.
    Ich fühlte mich

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