In den Armen des Eroberers
Wochen unmöglich gemacht. Doch an diesem Tag schien die Sonne – und wenn der Vorschlag von Devil kam, konnte das Reiten nun nicht mehr gefährlich sein. »Ich muß mich umkleiden.« Honoria legte ihr Buch beiseite und stand auf.
Devil lächelte. »Ich bringe die Pferde zum Seiteneingang.«
Zehn Minuten später waren sie unterwegs. Einmütig ritten sie über seine Felder auf eine nahegelegene Hügelkette zu. Auf dem Rückweg durchquerten sie das Dorf und hielten ein Schwätzchen mit Mr. Postlethwaite, der wie immer im Pfarrgarten beschäftigt war. Von dort aus führte sie der Heimweg durch den Wald.
Auf der geraden Strecke angelangt, verfielen sie in Schweigen, zügelten die Pferde und ritten im Schrittempo. Sie passierten die Stelle, an der Tolly niedergestreckt worden war; an der Abzweigung des Wegs zum Waldhaus hielt Devil an.
Er sah Honoria an – sie hielt neben ihm und erwiderte seinen Blick. Wortlos lenkte er Sulieman in den schmalen Weg hinein. Das Häuschen sah jetzt ordentlicher, sauberer aus; die steinerne Türschwelle war geschrubbt, eine dünne Rauchsäule stieg aus dem Schornstein auf.
»Keenan wohnt zur Zeit hier.« Devil saß ab, band die Zügel an einen Baum und kam Honoria zu Hilfe.
»Ist er zu Hause?«
»Wahrscheinlich nicht. Im Winter verbringt er seine Tage unten im Dorf.«
Er sicherte auch ihre Zügel, dann gingen sie Seite an Seite zum Häuschen. »Dürfen wir einfach hineingehen?«
Devil nickte. »Keenan hat kein richtiges Zuhause. Er wohnt halt in den Häusern, die ich ihm zur Verfügung stelle, und kümmert sich dafür um meine Wälder.«
Er öffnete die Tür und ging ihr voran ins Haus. Honoria sah zu, wie er den engen Raum durchquerte und vor der Pritsche stehenblieb, auf der Tolly gestorben war. Mit versteinerter Miene blickte er auf die graue Decke hinab.
Honoria lehnte sich an ihn. Er sah sie an, zögerte kurz, hob dann den Arm und zog sie an sich. Und wandte sich erneut mit düsterer Miene dem Lager zu. »Es sind schon sechs Monate vergangen, und wir haben ihn immer noch nicht.«
Honoria legte den Kopf an seine Schulter. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Cynster-Riege jemals eine Niederlage hinnimmt.«
»Niemals.«
»Nun denn.« Sie blickte zu ihm auf und sah, daß seine Miene sich noch mehr verfinsterte. »Das, was ich vergessen hatte, es hat etwas mit der Art zu tun, wie Tolly starb. Etwas, das mir aufgefallen war – etwas, woran ich mich unbedingt erinnern müßte.« Sein Blick war noch immer auf das Bett gerichtet. »Ich hoffe so sehr, daß es mir wieder einfällt.«
Seine düstere Miene wie auch seine Worte schlossen eine leichtfertige Ermutigung aus. Devil drückte Honoria kurz ein wenig fester an sich und wies auf die Tür. »Komm, laß uns heimreiten.«
Langsam ritten sie in der zunehmenden Dämmerung zurück.
Devil sprach nicht noch einmal von Tollys Mörder. In der Eingangshalle trennten sie sich; er ging in die Bibliothek, Honoria stieg die Treppe hinauf, um vor dem Dinner noch ein Bad zu nehmen.
Da Honoria inzwischen seine Stimmungen kannte, wußte sie es sogleich, als er wieder auf das Thema zu sprechen kommen wollte. Sie saßen in der Bibliothek, er in einem gut gepolsterten Lehnstuhl, sie auf der chaise , den Stickrahmen im Schoß. Das Feuer prasselte munter und verbreitete wohlige Wärme, die Vorhänge waren geschlossen. Webster hatte Devil ein Glas Brandy serviert und sich dann zurückgezogen; die Herzogin-Witwe hatte bereits ihre Räume aufgesucht.
Unter den Wimpern hervor sah Honoria, wie Devil einen tiefen Zug aus seinem Glas tat. Dann blickte er sie an. »Ich sollte nach London zurückkehren.«
Sie hob den Kopf und fragte ruhig: »Hast du neue Informationen, Tollys Tod betreffend, erhalten, die deine Anwesenheit in London jetzt erforderlich machen?«
Devil überlegte lange und angestrengt, hin und her, sie war schließlich seine Herzogin – und sie war zu klug und zu starrsinnig, um sich mit fadenscheinigen Ausreden abspeisen zu lassen. Er sah ihr offen in die Augen. »Viscount Bromley arbeitet derzeit für mich.«
Honoria furchte die Stirn. »Kenne ich ihn?«
»Er gehört nicht zu der Sorte von Gentlemen, die du kennen solltest.«
»Ah – so einer.«
»Genau. Der Viscount bemüht sich zur Zeit, Lucifers sogenanntes ehrenrühriges Gerücht auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Nächste Woche ist sein Bericht fällig.«
»Ich verstehe.« Versonnen blickte Honoria ins Feuer und sammelte dann gedankenverloren ihre
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