In den Armen des Eroberers
und Henrietta kamen auf die Idee, Kränzchen aus Gänseblümchen zu winden. Mary, deren pummelige kleine Finger so etwas noch nicht vollbrachten, setzte sich zu ihren Schwestern ins Gras und musterte aus großen blauen Augen zunächst die drei plaudernden Frauen, dann Devil, der immer noch mit Simon sprach. Nach einer ausgedehnten, großäugigen Betrachtung nahm sie ihre Puppe und stapfte auf ihren stämmigen Beinchen zu Honoria herüber.
Honoria bemerkte sie gar nicht, bis sich eine kleine Hand in ihre stahl. Erschrocken sah sie nach unten. Mary blickte lächelnd zu ihr auf – arglos und voller Vertrauen –, drückte Honorias Hand und lehnte sich an ihre Beine.
Honoria mußte sich auf ihr langjähriges Training besinnen, um Haltung zu wahren, Mrs. Hawlings und Miss Pritchard anzusehen und weiterzuplaudern, als wäre nichts geschehen. Als wäre da nicht ein heißes, weiches Händchen in ihrer Hand, als wäre da nicht das zarte Körperchen an ihren Beinen, die weiche Wange, die sich an ihren Schenkel schmiegte. Glücklicherweise kannten die beiden Frauen sie nicht gut genug, um zu wissen, daß ihre Miene gewöhnlich nicht so starr wirkte.
Dann trat Devil zu ihr, eine Hand auf Simons Schulter. Er entdeckte Mary und warf einen verstohlenen Blick auf Honoria. Ihr Gesicht war ausdruckslos, verriet ihm nichts trotz seiner eingehenden Musterung. Da senkte er den Blick und streckte die Hand aus. Mary ließ Honoria los und ging zu ihm. Devil hob die Kleine hoch; Mary schmiegte sich an ihn und legte das Köpfchen auf seine Schulter.
Honoria atmete tief durch, von verwirrenden Emotionen, heißem Sehnen und unerträglichem Begehren geschüttelt.
Devil verkündete, daß es Zeit zum Aufbruch sei. Sie verabschiedeten sich; als Mrs. Hawlings, Mary auf dem Arm, sich abwandte, winkte das Mädchen mit der pummeligen Hand. Honoria lächelte milde und winkte zurück.
»Komm – Sligo hat inzwischen wohl schon einen Suchtrupp aufgestellt.«
Honoria drehte sich um, Devil nahm ihre Hand, zog sie durch seine Armbeuge und ließ seine Finger, warm und kräftig, auf den ihren ruhen. Die Berührung war tröstlich und beunruhigend zugleich, während sie versuchte, den Aufruhr ihrer Gefühle niederzukämpfen. Eilig schritten sie zurück zum Hauptweg.
Die Kutsche war bereits in Sicht, als Devil schließlich das Wort ergriff. »Hattest du als Gouvernante auch mit kleineren Kindern zu tun?«
Honoria schüttelte den Kopf. »Meine Arbeit beschränkte sich auf Mädchen, die im folgenden Jahr in die Gesellschaft eingeführt werden sollten. Falls es in der Familie, die mich eingestellt hatte, kleinere Kinder gab, hatten diese gewöhnlich eine eigene Gouvernante der herkömmlichen Art.«
Devil nickte und schaute geradeaus.
Auf der Fahrt zurück zum Grosvenor Square hatte Honoria Zeit, ihre Gedanken zu ordnen. Der Ausflug war unerwartet informativ für sie gewesen.
Sie fand Lady Osbaldstones Theorie bestätigt, daß sie stark genug war, um Einfluß auf Devil ausüben zu können, selbst in Bezug auf Dinge, die ihm alles andere als genehm waren – wie zum Beispiel ihre Beteiligung an der Suche nach Tollys Mörder. Sie fand die Bestätigung, daß sie ein Kind mit ihm haben wollte, und zwar unbedingt. Für eine von ihren Ängsten gepeinigte Frau war er der denkbar beste Partner überhaupt – und außerdem wünschte sie sich ganz gewiß, daß er, der arrogante Tyrann, den Boden anbetete, auf dem sie wandelte.
So blieb nur noch ein Bestandteil von Lady Osbaldstones Vision, den sie noch überprüfen mußte, obwohl Devil von Anfang an klargestellt hatte, daß er sie, Honoria, heiraten wollte, um sie in sein Bett zu bekommen. Nannte man das Leidenschaft? War es das, was zwischen ihnen knisterte?
Seit dem Intermezzo auf der Terrasse hatte sie ihm keine Gelegenheit mehr gegeben, sie an sich zu ziehen; sein »mein« hatte ihr Interesse an seiner »Lust« sehr nachhaltig ausgelöscht. Im Verlauf der letzten drei Tage aber war ihre Neugier auf dieses Thema von neuem erwacht. Sogar noch stärker.
Webster öffnete die Tür; Honoria schritt über die Schwelle. »Falls Ihr einen Augenblick Eurer Zeit erübrigen könnt, Euer Gnaden, würde ich gern etwas mit Euch besprechen.« Hocherhobenen Hauptes strebte sie zielsicher die Bibliothek an. Ein Diener sprang hinzu und öffnete ihr die Tür; Honoria schwebte hinein – in die Höhle des Teufels.
Devil blickte ihr mit undeutbarer Miene nach. Dann reichte er Webster seine Handschuhe. »Ich möchte nicht
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