In den Armen des Feindes
galanten Worten werdet Ihr alle Frauen auf Beaumont verzaubern." So liebenswürdig hatte sie Ian noch nicht erlebt, und sie fragte sich, ob er nach dem Herzeleid wegen seiner ersten Frau wohl bald wieder imstande wäre, erneut auf Brautschau zu gehen.
"Ja, aber Euch nicht, das versichere ich." Er bot ihr den Arm, und sie ließ es zu, dass er sie durch die Halle und zum großen Portal hinausführte. Was ihre Augen dort erblickten, hob ihre Stimmung noch mehr.
Alle Kerzenleuchter auf den Tischen waren angezündet, und die kleinen Lichtpunkte schienen die abendliche Kühle zu vertreiben, obwohl Rosalind in der frischen klaren Luft ganz deutlich den kommenden Herbst riechen konnte. In wenigen Wochen würde der erste Schnee fallen, und dann brach auf der Burg eine einsame Zeit an. Doch heute Abend würden sie sich an den vielen Speisen gütlich tun und das Ende des Sommers feiern.
"Rosalind." Malcolms tiefe Stimme ertönte aus dem Schatten. Ihr Klang ließ Rosalind erschauern, so wie damals, als sie mit ihm zusammen in der Hütte das Bier getrunken hatte. Groß und stattlich trat er aus dem Dunkel. "Mein Gott, du siehst wunderschön aus!"
Er betrachtete sie von Kopf bis Fuß, und Rosalind spürte, wie ihr Verlangen nach ihm erwachte.
Als sie in diesem Augenblick an ihre gemeinsame Zukunft dachte, schöpfte sie wieder Hoffnung. Sicher würde sie sein Herz so rühren können, wie er ihres gerührt hatte. In diesem Augenblick wurde ihr bewusst, dass sie Malcolm ganz und gar liebte. Im Grunde hatte sie das schon geahnt, seitdem er sie aus Gregorys gewaltsamer Umarmung gerettet hatte.
"Danke." Jetzt, wo sie die Wahrheit erkannte, schien sie kaum die Augen von ihm wenden zu können.
"Du kommst mit mir." Mit einem finsteren Blick auf Ian zog er sie an seine Seite. Dann legte er entschlossen den Arm um sie und führte sie zu ihrem Tisch.
Die Gäste beeilten sich, Plätze an den Tischen zu finden. Malcolm hieß Rosalind sich setzen und hob dann seinen Becher, um sich an die im Hof Versammelten zu wenden.
"Unser König ist wieder abgereist, meine Freunde, und ihr habt einen sehr guten Eindruck auf ihn gemacht. Er kann es kaum erwarten, erneut nach Beaumont zurückzukommen, um seine Untertanen wiederzusehen und, die Wahrheit muss gesagt werden, um die Jagd zu genießen." Er machte eine Pause und sah erwartungsvoll in die Runde.
"Während er hier war", fuhr er fort, "bat ich ihn um die Erlaubnis, eure Herrin heiraten zu dürfen." Die versammelten Bewohner von Beaumont schnappten erstaunt nach Luft. "Und jetzt frage ich um eure Erlaubnis. Habe ich auch euren Segen, wenn ich eure reizende Burgherrin heirate?"
Er zog Rosalind von ihrem Sitz hoch. Und wie schon so oft zuvor, folgte ihr Körper dem Befehl seiner Hände.
Rosalind hatte diese Worte nicht von ihm erwartet. Nicht hier und vor allen Leuten. Doch es ergab durchaus einen Sinn. Wenn sie auch etwas gekränkt war, dass er sie nicht vorher gefragt oder wenigstens in seine Pläne eingeweiht hatte, verdrängte sie den Gedanken zu Gunsten eines Kompromisses.
Sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand, damit diese Ehe nicht scheiterte.
Rosalind lächelte zuerst Malcolm und dann allen Leuten von Beaumont zu, während die Menge laut Beifall rief.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Lachlan Gordon Gerta wie eine Puppe herumwirbelte und ihr dann einen herzhaften Kuss gab. Andere klatschten und riefen ihre Glückwünsche.
Malcolm gebot ihnen, still zu sein, und hob wieder seinen Becher. "Dann trinke ich auf euer Wohl, ihr lieben Leute von Beaumont. Ich danke euch für euren guten Willen, für meine Braut und für eure harte Arbeit. Auf eure Gesundheit und darauf, dass wir eine fröhliche Nacht haben werden."
Er trank seinen Becher in einem Zug aus und gab den Befehl, das Mahl zu beginnen.
"Ich glaube, sie haben die Nachricht von unserer Heirat gut aufgenommen."
Fest entschlossen, das Essen und das Beisammensein einfach zu genießen, probierte Rosalind von der Gans, die traditionsgemäß am Michaelitag serviert wurde. Der Duft nach Ingwer und anderen Gewürzen, der in der Luft hing, hatte unerwartet die wehmütige Erinnerung an jene Festtage geweckt, die sie damals mit ihrer Familie begangen hatte. In Momenten wie diesen, wenn sie ihre Gegenwart zu spüren schien, vermisste sie sie am meisten.
"Jeder schaut ganz fröhlich aus", flüsterte Malcolm ihr ins Ohr. "Außer dir vielleicht."
"Ich musste nur daran denken, wie sehr ich mir wünsche, dass meine Eltern hier sein
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