In den Armen des Schotten
»Und dabei kam mir in den Sinn, dass dich dann keine zehn Pferde hätten wegbringen können und du versucht hättest, der Sache selber auf den Grund zu gehen.«
So plötzlich, wie sich die Anspannung zwischen ihnen aufgebaut hatte, schwand sie auch wieder. Megan sah Jack forschend an. »Habe ich das richtig verstanden? Ich musste gehen, weil es gefährlich war, aber für dich war es in Ordnung zu bleiben?«
»Ich hatte einen Auftrag dort.«
»Genau wie ich.«
»Aber ich war nicht schwanger. Schau mal, es tut mir leid, wenn du das mit den unterschiedlichen Maßstäben nicht anerkennst … aber für mich gilt, dass diejenigen mit einer Gebärmutter von denen beschützt werden, die keine haben. Insbesondere wenn diese Gebärmutter zufälligerweise gerade belegt ist.«
»Wenn ich also nicht schwanger gewesen wäre, hättest du mich nicht weggeschickt?«
Jack rieb sich mit der Hand übers Gesicht. Verdammt, das Loch, das er grub, wurde immer tiefer, und sie stand kurz davor, ihn hineinzuschubsen.
»Das ist ungerecht. Das ist eine von diesen Fragen, die Frauen so gern stellen wie ›Sieht mein Hintern in dieser Hose breit aus?‹ Wenn man ja sagt, ist sie sauer, und wenn man nein sagt, denkt die Frau, man lügt.«
»Im Badezimmerschrank sind Handtücher«, sagte sie und nickte mit dem Kopf Richtung Flur, wo auch die Treppe war, die ins Obergeschoss führte. »In dem Raum links steht ein Bett. Da kannst du heute Nacht schlafen.« Sie drehte sich um und ging zum Kühlschrank. »Abendessen gibt es in einer Stunde.«
Jack humpelte in den Flur und trat in das winzige Schlafzimmer, um gleich darauf fast in die Knie zu gehen. Der Raum war vollgestopft mit Babysachen. Ein Stubenwagen, ein Autositz, Spielzeug, winzige Kleidungsstücke und kleine bunte Decken stapelten sich auf der einen Seite des Raumes bis zur Decke, und das Bett auf der anderen Seite lag auch voller Sachen.
Jack brach der kalte Schweiß aus. Heiliger Bimbam! Bald würde er Daddy sein…
10
C amry versuchte ihr Lächeln noch nicht einmal zu verbergen, als sie sich mit der Schere Jacks verbundener Hand näherte. Sie begann allmählich zu verstehen, warum Megan sich in den Kerl verliebt hatte. Ihr Lächeln wurde noch breiter, als sie ein großes Stück vom Verband abschnitt, der vom Duschen ganz durchnässt war, und Jack zusammenzuckte.
»Ich kann das wirklich selber machen«, meinte er und versuchte, ihr die Schere mit der gesunden Hand abzunehmen.
Doch Camry verstärkte nur ihren Griff um sein Handgelenk und schnitt weiter. »Ich kann sehen, wie gut Sie das können. Diese Narben da auf Ihren Händen und Handgelenken sehen wirklich gemein aus. Wie Verbrennungen.« Sie hörte auf zu schneiden und blickte ihn fragend an. »Sollen die Narben Sie daran erinnern, dass man den Teufel nicht am Schwanz zieht?«
Jack drehte seine unverletzte Hand, um sie anzuschauen, dann schloss er sie langsam zur Faust und ließ sie unter dem Tisch in seinen Schoß fallen. »Nein, sie sollen mich daran erinnern, warum ich Pazifist geworden bin.«
Sie schnaubte. »Wie ist das denn passiert?« Sie löste den nassen Verband. »Sagen Sie mal, Jack, sind Sie wirklich zur Hälfte ein kanadischer Cree?«
Camry schaute wieder auf und sah, dass Jack sie musterte. Sie musste Megan zustimmen, dass ihn seine Größe umgänglicher machte. Jack Stone war stämmig, muskulös und hatte scharfe, intelligente, unwiderstehlich blaue Augen. Vielleicht konnte Robbie ihm ja ein paar Stunden in Selbstverteidigung erteilen.
»Meine Mutter war eine Woodland-Cree vom Medicine Lake in Alberta.«
»Und Ihr Vater?«
»Er war Amerikaner, aus Montana. Sie haben sich bei einer Greenpeace-Kundgebung in Vancouver kennen gelernt.« Er hielt seine unverletzte Hand hoch, als sie ihm gleich die nächste Frage stellen wollte. »Meine Mutter war Umweltschützerin, die große Holzfirmen dazu bringen wollte, ökologische Forstwirtschaft zu betreiben. Mein Vater war Biochemiker, der es satt hatte, wie gewissenlos Pestizide und chemische Düngemittel in der Landwirtschaft eingesetzt wurden«, fuhr er fort. »Von Seiten meines Vaters war es Liebe auf den ersten Blick, aber er brauchte drei Jahre, um meine Mutter davon zu überzeugen, dass sie nicht ohne ihn leben konnte.«
»Leben die beiden immer noch in Medicine Lake?«
Er schüttelte den Kopf. »Sie sind bei einem Autounfall gestorben, als ich neun war.«
»Oh, das tut mir leid«, murmelte sie und richtete den Blick wieder auf seine Hand. »Und wer hat
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