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In den Armen des Schotten

In den Armen des Schotten

Titel: In den Armen des Schotten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Chapman
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sich denn dann um Sie gekümmert?«
    »Vor allem mein Urgroßvater mütterlicherseits. Bis zu seinem Tod, als ich fünfzehn war, haben wir außerhalb von Medicine Lake gelebt.«
    Camry schaute auf. »Und wo sind Sie dann hingekommen?«
    »Seitdem habe ich mich um mich selber gekümmert. Mit zwanzig habe ich mich der kanadischen Luftwaffe angeschlossen, doch nach vier Jahren entschied ich, dass ich nicht für den Krieg geboren war«, erzählte er und warf einen schnellen Blick zur Küche hin, wo Megan letzte Vorbereitungen für das Abendessen traf. »Ich habe mich dann ein paar Jahre in Ottawa, Toronto und Montreal herumgetrieben, mit verschiedenen Jobs. Als ich eines Sommers mal nach Medicine Lake zurückkehrte, habe ich erfahren, dass die sechzehnjährige Tochter eines Freundes von zuhause ausgerissen war, und ich bot an, sie zu finden.«
    »Haben Sie sie gefunden?«
    Jack nickte, und seine Augen leuchteten vor Zufriedenheit. »Ich brauchte weniger als drei Wochen, um sie wieder nach Hause zu bringen.«
    Fasziniert von dem, was er erzählte, schaute Camry zur Küche hin, um zu sehen, ob ihre Schwester zuhörte … was diese ganz offensichtlich tat. Megan stand mit dem Rücken zu ihnen, bewegte sich aber nicht.
    »Wo haben Sie das Mädchen gefunden?«, fragte Cam.
    »In Vancouver, wo sie bei einem jungen Mann wohnte, mit dem sie weggelaufen war.«
    »Und Sie überredeten sie dazu, wieder nach Hause zu kommen?«
    »Sie hatte innerhalb von ein paar Tagen, nachdem sie in Vancouver angekommen war, festgestellt, dass sie einen Fehler gemacht hatte; ihr Freund war ein Trottel, und sie wohnten in einer Bruchbude. Sie wusste nicht, wie sie sich mit ihren Eltern in Verbindung setzen sollte, um zu fragen, ob sie wieder nach Hause zurückkommen könnte.« Er sah Camry mit einem schiefen Grinsen an. »Neugier bringt so manchen Menschen in Schwierigkeiten, aber es ist meistens der Stolz, der dafür sorgt, dass er da nicht wieder rauskommt.«
    »Sie haben also festgestellt, dass Sie ein besonderes Geschick dafür haben, Ausreißer aufzuspüren, und dann haben Sie das zu Ihrem Beruf gemacht?«
    »Ja, so ähnlich.«
    »Wie gehen Sie bei der Suche nach diesen Kindern vor?«
    »Ich nutze persönliche Erfahrungen«, erklärte er gelassen. »Ich bin ein halbes Dutzend Mal von Pflegefamilien weggelaufen, bei denen ich untergebracht war, ehe ich dann bei meinem Urgroßvater unterkam.«
    »Als Sie erst neun waren?«
    Jack war jetzt damit beschäftigt, sich selbst den restlichen Verband abzunehmen. »Ich habe immer wieder versucht, zu Grand-père in Medicine Lake zu kommen. Ich wusste damals nicht, dass er vor Gericht darum kämpfte, die Vormundschaft für mich zu bekommen.«
    »Warum wollte man ihm die Vormundschaft nicht übertragen? Er war schließlich Ihr Familienangehöriger.«
    »Er war damals bereits achtzig.«
    »Aber schließlich hat er doch gewonnen?«
    »Nur weil er nach einem Jahr Herumstreitens mit den Gerichten losgezogen ist und mich aus der Pflegefamilie entführt hat, bei der ich damals lebte. Bis zu seinem Tod haben wir tief im Wald gewohnt. Als ich dann allein wieder auftauchte, bekam mich das Jugendamt erneut zu fassen und brachte mich nach Edmonton zurück. Aber da bin ich nicht lange geblieben; ich bin einfach wieder verschwunden.«
    Camry sah ihn mit großen Augen an. Er war immer wieder weggelaufen, seitdem er neun Jahre alt war? Sie zuckte zusammen, als die Ofentür plötzlich zuknallte. Jack schnappte sich seine Krücken, stand auf und nahm Pflaster und Verbandsstoff vom Tisch. Dann humpelte er, ohne noch etwas zu sagen, in den Schlafraum im Erdgeschoss.
    Camry drehte sich auf ihrem Stuhl um und stellte fest, dass ihre Schwester sie wütend ansah. »Was ist?«, fragte sie ruhig.
    »Bitte sag, dass du kein Wort von dem, was er erzählt hat, glaubst«, zischte Megan.
    »Niemand könnte sich so etwas ausdenken, Meg. Es ist zu herzzerreißend.«
    »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ein neun Jahre altes Kind immer wieder einfach weglaufen würde.«
    »Aber wenn er es nun doch getan hat? Kannst du dir vorstellen, was er durchgemacht hat und wie viel Angst er gehabt haben muss? Und dann starb sein Urgroßvater. Er hat ihn wahrscheinlich ganz allein begraben. Und dann kam er – wieder auf sich allein gestellt – aus den Wäldern zurück.«
    »Er hat sich das ausgedacht, Cam. Er versucht, dich auf seine Seite zu ziehen.«
    »Und wenn es doch stimmt?«
    »Okay, was ist dann?« Trotzig hob Megan das Kinn. »Was hat

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